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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
Autoren: Oliver P�tzsch
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dachte er. Oder ein Vogel, der Schutz vor dem Sturm gesucht hatte.
    Endlich erreichte Koppmeyer den Eingang des Pfarrhäuschens. Hier zur Südseite hin waren die Schneewehen nicht ganz so hoch. Er öffnete die Tür, zwängte seine massige Gestalt in die Diele und schob den Riegel vor. Sofort breitete sich angenehme Stille aus. Der Sturm schien weit, weit weg zu sein. In der offenen Feuerstelle in der Diele lag noch etwas Glut und verbreitete wohlige Wärme, weiter vorne führte eine Treppe hoch in das Zimmer der Haushälterin. Der Pfarrer wandte sich nach rechts, um durch die Stube in seine kleine Kammer zu gelangen.
    Als er die Tür zur Stube öffnete, empfing ihn ein süßer, fettiger Duft. Andreas Koppmeyer floss das Wasser im Mund zusammen, als er dessen Ursprung ausmachte. Auf dem Tisch in der Mitte der Stube stand eine Tonschüssel, bis obenhingefüllt mit saftigen Schmalznudeln. Koppmeyer trat näher und berührte sie sacht. Sie waren noch warm.
    Der Pfarrer grinste. Die gute Magda hatte mal wieder an alles gedacht. Er hatte ihr gesagt, dass er heute noch länger in der Kirche bleiben werde, um bei den Renovierungsarbeiten selbst mit Hand anzulegen. Wohlweislich hatte er sich einen Laib Brot und einen Krug Wein mitgenommen. Aber die Haushälterin wusste, dass ein Mann wie Koppmeyer davon allein nicht leben konnte. Also hatte sie ihm Schmalznudeln gemacht, und die warteten jetzt hier auf ihren Erlöser!
    Andreas Koppmeyer entzündete eine Kerze an der Glut des Herdes und setzte sich an den Tisch. Erfreut bemerkte er, dass die Nudeln dick mit Honig bestrichen waren. Er zog die Schüssel mit seinen beiden Pranken zu sich heran, nahm sich eine der noch warmen Nudeln und biss genüsslich hinein.
    Sie schmeckte köstlich.
    Still vor sich hinkauend, spürte der Pfarrer, wie die Wärme in seinen Körper zurückkehrte. Schon bald war er fertig und griff zum nächsten Schmalzgebäck. Er zerpflückte die zarte Nudel und schob sich die dampfenden Stücke in immer schnellerer Folge in den Mund. Kurz glaubte er, ein unangenehmes Aroma am Gaumen zu spüren. Aber der Geschmack wurde sofort wieder vom süßen Honig überdeckt.
    Nach der sechsten Schmalznudel musste Koppmeyer schließlich aufgeben. Ein letztes Mal linste er in die Schüssel, auf deren Grund gerade noch zwei Nudeln lagen. Er seufzte tief, rieb sich den Bauch, dann begab er sich mehr als gesättigt in die Kammer nebenan, wo er alsbald in tiefen Schlaf sank.
    Die Schmerzen kündigten sich kurz vor Hahnenschrei mit einer leichten Übelkeit an. Still verfluchte Koppmeyer sich für seine Gier und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, wohl wissend, dass Völlerei eine der sieben Todsünden war. Vermutlich hatte Magda den Inhalt der Schüssel für dienächsten paar Tage gedacht. Aber die Nudeln waren einfach zu köstlich gewesen! Nun bestrafte Gott ihn stante pede mit Brechreiz und Leibgrimmen. Was musste er auch mitten in der Nacht das Fressen anfangen! Geschah ihm nur recht!
    Gerade eben wollte er aus dem Bett steigen, um sich in den für solche Fälle bereitgestellten Nachttopf zu erleichtern, als die Bauchschmerzen schlimmer wurden. Blitze zuckten durch seinen Leib, so dass sich Koppmeyer stöhnend am Bettrand festklammern musste. Ächzend richtete er sich auf und humpelte nach nebenan in die Stube, wo auf einem Tischchen ein Krug mit Wasser stand. Er setzte an und trank das kühle Nass in einem Zug, in der Hoffnung, die Schmerzen damit zu lindern.
    Auf dem Weg zurück in seine Kammer schoss ein Schmerz von der Kehle bis hinunter zum Magen, wie er ihn noch nie erlebt hatte. Koppmeyer versuchte zu schreien, doch der Schrei blieb ihm im Hals stecken. Seine Zunge war ein fleischiger Korken, der seine Kehle verstopfte. Der Pfarrer sank auf die Knie, heißes Feuer kroch seinen Hals hoch. Er erbrach breiige Klumpen, doch der Schmerz ließ nicht nach. Im Gegenteil, er steigerte sich, bis Koppmeyer nur noch wie ein geprügelter Hund auf allen vieren robben konnte; seine Beine versagten plötzlich ihren Dienst. Flüsternd versuchte er, nach der Haushälterin zu krächzen, doch das Feuer hatte längst seine Kehle verbrannt.
    Langsam dämmerte dem Pfarrer, dass dies keine normalen Bauchschmerzen waren und dass Magda nicht einfach nur die Milch hatte schlecht werden lassen. Koppmeyer spürte, dass er sterben würde. Er lag da und krepierte.
    Nach Minuten der Angst und Verzweiflung fasste der Pfarrer einen Entschluss. Mit der ihm noch verbliebenen Kraft stemmte er sich gegen die
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