Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
Autoren: Oliver P�tzsch
Vom Netzwerk:
noch dazu der Herr Pfarrer. Aber ich hab ihm immer gesagt, dass er nicht so viel fressen soll!«
    Der Mesner nickte und knetete weiter seinen Hut. »Er hat sich mit den Schmalznudeln übernommen«, murmelte er. »Nur zwei hat er noch über lassen. Hier beim Beten hat’s ihn dann erwischt.«
    »An den Schmalznudeln ...« Simon runzelte die Stirn. Seine Befürchtungen waren wenigstens zum Teil eingetreten, mit dem einzigen Unterschied, dass der Pfarrer nicht krank, sondern tot war.
    »Aber warum liegt er dann hier und nicht in seinem Bett?«, fragte er mehr zu sich selbst als zu den Umstehenden.
    »Wie gesagt, er wollt wohl noch beten, bevor er vor den Schöpfer tritt«, murmelte Gedler.
    »Bei dem Wetter?« Simon schüttelte skeptisch den Kopf. »Kann ich das Pfarrhaus einmal sehen?«
    Der Mesner zuckte mit den Schultern und wandte sich nach draußen. Gemeinsam mit der immer noch schluchzenden Magd gingen sie hinüber in das benachbarte Gebäude. Magda hatte die Tür offen gelassen, so dass der Schnee nun bis in die Stube hineingeweht war und unter Simons Schritten knirschte. Auf dem Tisch vor der Ofenbank stand eine Schüssel, in der zwei fettig glänzende Schmalznudeln lagen. Sie sahen zum Anbeißen lecker aus. Braun und handtellergroß, mit einer dicken Schicht Honig bestrichen. Trotz der zurückliegenden, nicht eben appetitfördernden Begegnung mit dem Toten lief Simon das Wasser im Mund zusammen. Ihm fiel ein, dass er heute noch nichts gefrühstückt hatte. Einen Moment lang war er versucht zu probieren, dann besann er sich eines Besseren. Dies war eine Totenschau und kein Leichenschmaus.
    Vom Bett des Pfarrers aus rekapitulierte der Schongauer Medicus dessen letzten Gang.
    »Er muss aufgestanden und in die Küche hinübergegangen sein, um einen Schluck Wasser zu trinken. Hier ist er dann zusammengebrochen.« Er deutete auf die Scherben des Krugs und die breiigen Spuren von Erbrochenem. In dem engen Raum roch es bitter nach Magensäure und geronnener Milch.
    »Aber warum, in Gottes Namen, ist er dann hinaus in die Kirche?«, murmelte er. Einer plötzlichen Eingebung folgend, wandte er sich an den Mesner.
    »Was hat Pfarrer Koppmeyer eigentlich am gestrigen Abend gemacht?«
    »Er ... er war in der Kirche. Bis spät in die Nacht«, sagte Gedler.
    Die Haushälterin nickte. »Er hat sich sogar einen Krug Wein und einen Laib Brot mitgenommen. Meinte, es würd länger dauern. Als ich ins Bett bin, war er noch drüben. Kurz vor Mitternacht bin ich noch einmal aufgewacht. Da hab ich drüben noch Licht gesehen.«
    »Kurz vor Mitternacht?«, warf Simon ein. »Was hat ein Pfarrer um diese Zeit in einer eiskalten Kirche zu suchen?«
    »Er...er meinte, er müsste den Umbau des Chorgewölbes in Augenschein nehmen«, sagte der Mesner. »Überhaupt war er in den letzten zwei Wochen ein bisserl komisch, der Herr Pfarrer. Ständig war er drüben in der Kirche, und das bei der Kältn!«
    »Nichts hat er andere machen lassen, die gute Seel«, unterbrach ihn Magda. »Ein Bär von einem Mann. Mit Hammer und Meißel konnte er umgehen wie kein Zweiter.«
    Simon überlegte. Die gestrige Nacht war die kälteste seit langem gewesen. Nicht umsonst hatten die Handwerker jetzt im Januar ihre Arbeiten an der Kirche eingestellt. Wenn jemand in einer solchen Nacht Hammer und Meißel in dieHand nahm, dann musste er dafür einen verdammt guten Grund haben.
    Ohne den Mesner und die Haushälterin weiter zu beachten, eilte er wieder hinüber in die Kirche. Drinnen lag der Pfarrer noch da, wie er ihn verlassen hatte. Erst jetzt bemerkte Simon, dass die Leiche sich direkt über einer Grabplatte befand. Darauf war das Relief einer Frau abgebildet, die dem Bildnis Marias glich. Angeordnet wie der Bogen eines Heiligenscheins, umkränzten die Wörter einer Inschrift ihren Kopf.
    Sic transit gloria mundi.
    »So vergeht der Ruhm der Welt ... «, murmelte Simon. »Wohl wahr.« Er hatte diese Inschrift schon oft gelesen. Auf vielen Grabsteinen war sie zu finden, und bereits im alten Rom war es Sitte gewesen, dass ein Sklave die Worte dem siegreichen Feldherrn auf seinem Triumphzug durch die Stadt zuraunte. Nichts Irdisches ist ewig …
    Beinahe sah es so aus, als hätte der Pfarrer in einer letzten Geste mit seiner rechten Hand auf die Inschrift gewiesen. Simon seufzte. Sollte Andreas Koppmeyer hier wirklich nur den Gelüsten des Fleisches erlegen sein? Oder war dieser Fingerzeig eine letzte Mahnung an die noch Lebenden?
    Ein Geräusch ließ ihn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher