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Die heimliche Lust

Die heimliche Lust

Titel: Die heimliche Lust
Autoren: Dalma Heyn
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klingen, wenn sie damit nicht nur das Schweigen über ihre eigene Sexualität und ihre Begierden brechen, sondern auch noch das heiligste Ehegebot? Ehebruch ist verboten — er ist unaussprechlich, wie der Historiker Tony Tanner in seinem Buch Adultery in the Novel (1979) ausführt, »ein Verbrechen, anders als beispielsweise Mord, den man zwar als größere Gefahr für Person, Besitz und Gesetz ansehen kann, der aber in der Gesellschaft niemals unaussprechbar war...« (Hervorhebung durch D. H.) Da sie wissen, daß sie gegen eine heilige soziale Norm verstoßen und daß von ihrer Erfahrung nicht gesprochen werden darf, äußern Frauen ihre Gefühle defensiv, zögernd, trotzig oder zaghaft. Ihre Worte werden zuerst über die ungläubigen Ohren der Zuhörerin verarbeitet und erreichen schließlich die schockierten Augen der Leserinnen. Die Wahrheit klingt so leicht falsch; die Sprecherinnen, die so unerwartete Mitteilungen machen, wirken nicht vertrauenswürdig. Sind das Huren, die da reden, oder was? fragen wir uns.

» Ich wußte nicht, wem ich es sagen sollte oder wer mir zuhören würde«

    So wird die erotische Stimme von Frauen zum Schweigen gebracht. Wir hören sie nicht. Allzu lang hat dieses Verstummen ein trauriges Vakuum hinterlassen, einen Abgrund, angefüllt mit verzerrten Vorstellungen über den Charakter, das Leben und die Sexualität der Frauen. Wie oft haben wir doch gehört:
    Frauen sind von Natur aus monogam.
    Glücklich verheiratete Frauen haben keine außerehelichen Beziehungen.
    Frauen wünschen sich nicht mehrere Sexpartner.
    Frauen müssen einen Mann lieben, wenn sie mit ihm schlafen.
    Frauen verlieben sich in jeden Mann, mit dem sie ins Bett gehen.
    Frauen können nicht mehr als einen Mann zur gleichen Zeit lieben; Frauen mögen keinen unverbindlichen Sex.
    Frauen haben ehelichen Sex lieber als unehelichen Sex.
    Frauen können Sex nicht von Liebe trennen.
    Frauen, die mit anderen Männern außer ihrem eigenen schlafen, leiden an furchtbaren Schuldgefühlen.
    Frauen werden durch die körperliche Erscheinung von Männern nicht sexuell erregt.
    Aus diesen Behauptungen werden unzählige Vergleiche zwischen männlichen und weiblichen Motiven für die Suche nach außerehelichem Sex abgeleitet: Männer tun dies aus drängenden biologischen Gründen; das hat weder mit der Persönlichkeit der eigenen Frau noch mit der der Geliebten zu tun; Frauen tun es ausschließlich aus emotionalen Gründen. Die Seitensprünge von Frauen, die man stets auf eine unglückliche Ehe zurückführt und nicht auf ihre sexuellen Bedürfnisse, werden somit zu bloßen Vergeltungsakten erklärt, zu einer Waffe, die sie benutzen, um Männer kleinzukriegen oder nachzuahmen oder zu bestrafen. Wenn die Affären von Ehefrauen geplant sind, dann sind sie auch zu verhindern, während die Ehemänner sowohl mit ihren unkalkulierten, unkontrollierbaren und drängenden Leidenschaften als auch mit ihrem biologischen Bedürfnis nach Abwechslung zu kämpfen haben. Und wenn die Affäre einer Frau ein Angriff auf ihren Mann ist oder dessen Verhalten nur nachahmt oder Rache an einem treulosen Mann darstellt, dann ist sie feindselig — während der Seitensprung des Mannes ohne Hintergedanken ausschließlich sexueller Natur ist.
    Es ist unmöglich, die frühe Literatur über Sexualität zu studieren — die größtenteils von Männern aufgrund eines Modells männlicher Sexualität und aus der Perspektive überwiegend männlicher kultureller Klischees geschrieben ist — , ohne von dieser unausrottbaren Darstellung dessen über»mannt« zu werden, wer, was und wie Frauen sind und worin ihre Motive bestehen. So führte der Sex-Statistiker Alfred Kinsey seinen Befund, daß Frauen weniger außereheliche Partner haben als Männer, auf ihre geringeren sexuellen Bedürfnisse zurück. Ein anderer Forscher, Robert R. Bell, sah im Altern und im Wunsch, sich der eigenen physischen Attraktivität zu vergewissern, ein Motiv für Seitensprünge von Frauen, nicht aber von Männern. Die Soziologen Gagnon und Simon schrieben 1975 in ihrer Untersuchung zur Sozialisation von Frauen, diese halte sie dazu an, die Sexualität »als eine Form der Dienstleistung für andere« zu betrachten: »Für die Frau finden Sexualakte nicht um ihrer selbst willen statt, sondern um der Kinder, der Familie und der Liebe willen.« Und sie fügten hinzu, »sowohl der eigene Körper als auch der anderer wird von Frauen nicht als ein Instrument des Selbstgenusses betrachtet«.

Die
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