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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman
Autoren: Maggie O Farrell
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sie.
    Stöhnend vergräbt er das Gesicht im Kopfkissen.
    Sie rüttelt ihn. »Ted. Ted, das Kind ist weg - es ist nicht mehr da.«
    Er springt aus dem Bett. Mitten im Zimmer bleibt er stehen, nackt bis auf die Boxershorts, die Haare zerstrubbelt, das Gesicht panisch vor Angst. Dann lässt er die Schultern sinken. »Was redest du denn?«, sagt er. »Da ist er doch.«
    »Wo?«
    Er zeigt nach unten. »Da. Sieh selbst.«
    Und tatsächlich. Neben Elina steht etwas auf dem Fußboden. Ein ovaler Korb, der im Halbdunkel wie ein Hundebettchen aussieht. Nur dass er Henkel hat und etwas darin liegt, das in weiße Tücher gewickelt ist.
    »Ach«, sagt sie. Sie streckt die Hand nach dem Schalter aus, und sofort ergießt sich gedämpftes Licht in den
Raum. »Ach.« Sie sieht an sich hinunter und von ihrem leeren Bauch zu dem Baby. Sie dreht sich zu Ted um, der sich wieder ins Bett gelegt hat und leise vor sich hin grummelt, dass sie ihn zu Tode erschreckt habe.
    »Dann hab ich das Kind bekommen?«, fragt sie.
    Ted, der gerade sein Kopfkissen aufschütteln will, hält inne und sieht sie an. Seine Miene ist unsicher, ängstlich. Hab keine Angst, will sie sagen, es ist alles gut. Doch sie sagt: »Ich hab’s bekommen?«, um es sich bestätigen zu lassen. Sie muss die Frage stellen, muss sie laut aussprechen, muss sie hören.
    »Elina … Das soll wohl ein Witz sein, ja?« Er lacht nervös auf. »Aber das ist nicht lustig. Vielleicht … Vielleicht hast du geträumt? Du hast bestimmt geträumt. Möchtest du nicht lieber …« Ted bricht ab. Er legt ihr die Hand auf die Schulter und scheint nicht zu wissen, was er sagen soll. Er starrt sie an, sie starrt zurück. Sie lässt den Gedanken zu: Es ist ein Kind bei uns im Zimmer. Es ist da. Sie will sich noch einmal davon überzeugen, aber Ted hält sie an der Schulter fest. Er räuspert sich. »Du hast das Kind bekommen«, sagt er langsam. »Es war … im Krankenhaus. Erinnerst du dich?«
    »Wann?«, fragt sie. »Wann hab ich es bekommen?«
    »Mein Gott, El, bist du …« Er unterbricht sich, wischt sich mit der Hand übers Gesicht und fährt mit beherrschterer Stimme fort: »Vor vier Tagen. Du lagst drei Tage in den Wehen und dann … dann ist er gekommen. Gestern Abend bist du aus dem Krankenhaus entlassen worden. Auf eigene Verantwortung.«
    Eine Pause. Elina denkt über das nach, was Ted gesagt hat. Sie legt sich die Fakten, die er ihr gegeben hat, im Kopf zurecht. Krankenhaus, Kind, entlassen, drei Tage in den Wehen. Sie versucht, drei Tage begrifflich zu fassen, und denkt
an die Schmerzen in ihrem Bauch, aber sie beschließt, erst einmal nichts davon zu sagen.
    »Elina?«
    »Ja?«
    Forschend blickt er in ihr Gesicht. Er streicht ihr die Haare aus der Stirn, legt ihr die Hände auf die Schultern. »Bestimmt bist du nur … Du musst doch furchtbar müde sein und … Schlaf weiter, ja?«
    Sie antwortet nicht. Sie windet sich unter seinen Händen weg und rutscht aus dem Bett. Dabei hält sie sich den Leib, beißt sich auf die Lippe. Es ist ein Gefühl da unten, als ob gleich etwas aus ihr herausquillt, wenn sie es nicht festhält. Sie kauert über dem Kind, betrachtet es genau. Er, hat Ted gesagt. Ein Junge also. Er ist wach, die Augen groß und klug. Mit verwunderter, f ragender Miene sieht er aus seinem Weidenkorb zu ihr hoch. Er ist wie ein Geschenk verpackt, in eine weiße Decke gehüllt, die Händchen stecken in weißen Fäustlingen. Elina beugt sich hinunter und zieht sie ihm aus - winzig kleine Dinger, leicht wie Zirruswolken. Seine Hände bewegen sich, greifen die Luft.
    »Ah«, macht er. Ein seltsam erwachsenes Geräusch. Sehr bestimmt, sehr überlegt.
    Elina legt ihm die Hand auf die feuchtwarme Stirn, auf die sich hebende und senkende Spatzenbrust, das runde Bäckchen, das schörkelige Ohr. Er blinzelt, als sie die Finger vor seinen Augen vorbeiführt, er öffnet und schließt die Lippen wie jemand, dem die Worte fehlen.
    Vorsichtig schiebt sie die Hände unter ihn und hebt ihn hoch. Schließlich gehört er ihr; sie darf das. Sie legt seinen Kopf an ihre Schulter, seine Füßchen in ihre Armbeuge. Und tatsächlich, es ist ein fast vertrautes Gefühl, ihn zu halten. Er wendet den Kopf zu ihr hin und wieder weg, hin
und wieder weg. Dann starrt er wie gebannt auf den Träger ihres T-Shirts.
    »Du kannst dich doch dran erinnern, oder?«, fragt Ted aus dem Bett.
    Elina ringt sich ein Lächeln ab. »Aber natürlich«, sagt sie.
    Als sie sich endlich wieder hinlegt - sie hat das Kind
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