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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman
Autoren: Maggie O Farrell
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Schulter seiner Mutter hinweg in gekränkter Empörung an. Tut mir leid, möchte Felix sagen, es tut mir leid. Er ist erfüllt von dem Drang, sich bei ihnen allen zu entschuldigen, bei einem nach dem anderen.
    »Ich kann sie dir zeigen«, sagt er stattdessen. »Komm mit nach oben.«
    Sie gehen in den ersten Stock. Auf dem Treppenabsatz steht die Schreibmaschine, dick eingestaubt, das Farbband trocken und brüchig. Bei ihrem Anblick überkommt Felix ein schwindelähnliches Gefühl. Plötzlich hat er ihre Geräusche genau im Kopf, das Klack-klack-a-klack mit dem die Metalltypen auf das Papier schlugen, oder wie sich das Farbband vor jedem Anschlag kurz anhob. Das Maschinengewehrfeuer, wenn die Arbeit gut lief. Die Unterbrechungen und Pausen, wenn Lexie nicht vorankam, wenn sie seufzte oder an ihrer Zigarette zog. Das Ding der Glocke, wenn
der Wagen das Ende der Zeile erreichte. Das Surren, wenn die Seite herausgezogen wurde, das rollende Ratschen beim Einspannen der nächsten.
    Er wendet den Blick ab und räuspert sich. »Das hier sind die Bilder. Ich glaube, ich habe alle gefunden. Schon möglich, dass irgendwo noch mehr herumliegen, aber die kann ich euch ja jederzeit …«
    Zu seiner Überraschung übergibt ihm Elina das Kind.
    »Hoppla«, sagt er, packt den Jungen unter den Achseln und hält ihn in der Luft. Jonahs Füßchen beschreiben Kreise, als ob er auf einem eingebildeten Fahrrad in die Pedale tritt. Er sieht über Felix’ Kopf hinweg, mustert sein Ohr, schaut auf den Boden; er legt den Kopf nach hinten, um die Decke zu betrachten.
    »Dschabba dschabba uii«, sagt Jonah.
    »Recht hast du, alter Knabe«, sagt Felix.
    Elina wischt sich die Hände an ihrem Kleid ab und kauert sich neben die Bilder, die an der Wand lehnen. Sie sieht sich das vorderste an - ein Durcheinander aus Dreiecken in düsteren Farben, das Felix noch nie besonders gefallen hat - klappt es vorsichtig nach vorn und sieht sich das nächste an und das nächste und das nächste. Dabei runzelt sie ununterbrochen die Stirn, als ob ihr etwas missfällt. Vielleicht will sie diese staubigen alten Schinken gar nicht im Haus haben, denkt Felix, aber er findet, ein bisschen Interesse könnte sie trotzdem zeigen, schließlich ist sie doch selbst Malerin und …
    Und schon erwartet ihn die nächste Überraschung, denn sie sagt: »Ich kann sie nicht mitnehmen.«
    »Aber du musst, mein Kind.« Felix bleibt fest. »Sie sind Teds rechtmäßiges Eigentum. Sie haben Lexie gehört. Sie hingen in dem Haus, wo er gewohnt hat, als …«

    »Nein«, fällt Elina ihm ins Wort. »Ich meine etwas anderes: Ich kann sie nicht mitnehmen.«
    Felix sieht sie verdutzt an. Was für ungewöhnlich große Augen sie doch hat in ihrem blassen Pierrotgesicht. In dem trüben Dielenlicht wirken sie größer als je zuvor. »Ich kann dir leider nicht ganz folgen. Es waren Lexies Bilder. Sie gehören jetzt Ted. Vielleicht möchte er sie haben.«
    »Hast du eine Vorstellung …« Sie bricht ab. Fasst sich an die Stirn. »Felix, diese Bilder sind ungeheuer wertvoll.«
    »Tatsächlich?«
    »Wertvoll ist gar kein Ausdruck. Ich habe keine genaue Vorstellung, was sie wert sind, aber sie gehören - ich weiß auch nicht - ins Museum. In eine Galerie.«
    »Nein«, entgegnet Felix. »Ich möchte, dass Ted sie bekommt. Sie gehören ihm.«
    Sie reibt sich das Gesicht, denkt nach. »Ich verstehe«, sagt sie. »Ich verstehe, warum du das möchtest. Aber … die Sache ist die … Wir können nicht …« Aufgeregt verfällt sie sekundenlang in eine Fremdsprache, Finnisch vermutlich, wendet sich, halblaut vor sich hin murmelnd, den Bildern zu und wieder von ihnen ab. »Und jetzt könnte ich sie sowieso nicht mitnehmen«, sagt sie schließlich.
    »Aber …«
    »Felix, ich kann diese Gemälde nicht einfach in Simmys Kofferraum packen. Sie sind … Sie brauchen eine richtige Transportverpackung. Eine Versicherung. Wir müssen eine qualifizierte Kunstspedition damit beauftragen.«
    »Ja?«
    »Ja. Wenn du möchtest, suche ich dir eine heraus. Ich weiß nur nicht …« Sie nimmt ihm das Kind ab. »Ich weiß nicht, was Ted dazu sagen wird.« Sie sieht ihren Sohn an, rückt ihm die Mütze zurecht. »Ich muss weiter«, murmelt sie.

    Felix bringt sie nach unten, hinaus auf die Straße, in den klaren Sonnenschein. Während sie Jonah in den Kindersitz schnallt, stellt Felix die Schreibmaschine auf den Beifahrersitz.
    Sie stehen auf dem Bürgersteig und sehen sich an.
    »Sag ihm«, stammelt Felix. »Sag ihm
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