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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman
Autoren: Maggie O Farrell
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aus. Die Tropfen fliegen, und Elina fühlt sich an einen Hund erinnert, der pitschnass aus einem See kommt. »Sauwetter«, sagt er und nimmt sie in den Arm.
    »Vielen Dank, dass du gekommen bist.« Sie hält sich an seinem Ellenbogen fest. »Ich weiß nicht … Ich wusste nicht, was ich … Ich meine, ich will ihn nicht hierlassen, verstehst du, so ganz allein. Ich konnte doch nicht einfach weggehen und …«
    Simmy nickt und klopft ihr beruhigend auf den Rücken. »Schon klar, schon klar. Das mach ich doch gerne. Jederzeit. Im Ernst.«
    Aus dem Wohnzimmer kommt ein schrilles Quietschen. Elina wischt sich heftig eine Träne von der Wange. »Ich muss mal schnell …«
    »Aber sicher doch«, sagt Simmy.
    Jonah liegt im Wohnzimmer auf seinem Spielteppich. Er wälzt sich vom Bauch auf den Rücken und wieder zurück.
Er hebt die Beinchen in die Höhe, lässt sie zur Seite fallen und dreht sich auf den Rücken. Und auf den Bauch. Dann das Ganze noch einmal von vorn, keuchend und ächzend vor Konzentration.
    »Faszinierend«, murmelt Simmy. »Wie er sich anstrengt.«
    »Ja, nicht wahr?«, sagt Elina. »Das hat er gestern den ganzen Tag gemacht und heute auch.« Sie macht eine Geste mit Daumen und Zeigefinger. »Nur so ein Stückchen fehlt noch, dann kann er krabbeln. Aber noch ist er nicht ganz so weit.«
    »Es tut richtig weh, ihm zuzuschauen. Am liebsten würde man ihm helfen.« Er legt den Kopf auf die Seite. »Es ähnelt ein bisschen dem Springerzug beim Schach, findest du nicht? Vor und zur Seite. Vor und zur Seite.« Er klatscht in die Hände und sieht Elina fragend an. »Also erzähl schon, wie läuft es so bei euch?«
    Elina seufzt. Sie setzt sich aufs Sofa, dann lässt sie sich auf den Boden rutschen, so dass sie neben Jonah kniet. »Er steht nicht auf«, sagt sie leise. »Er redet nicht, sagt kein einziges Wort. Er isst nichts. Ich kann ihn mit Müh und Not dazu bringen, dass er etwas trinkt. Manchmal ist er auch wach, aber er schläft fast den ganzen Tag und fast die ganze Nacht. Ich weiß nicht, was ich machen soll, Sim.« Sie kann ihn nicht ansehen. Sie hebt ein Spielzeug von Jonah auf, eine Rassel mit Glöckchen, und schüttelt sie. »Ich weiß nicht, ob ich den Arzt holen soll oder … oder … Aber was sollte ich ihm schon sagen?«
    »Hmm. Haben sich denn Felix und - hat sich denn Felix mal gemeldet?«
    »Er war da. Er ruft jeden Tag an. Manchmal sogar zweimal.«

    »Und Ted will nicht mit ihm sprechen?«
    Elina schüttelt den Kopf. »Sie war auch da«, flüstert sie. »Deswegen hat Ted dann …«
    »Das Fenster eingeschlagen?«
    Sie nickt und schluckt krampfhaft. »Es war furchtbar, Sim. Ich dachte, er würde …, er würde …«
    Simmy schüttelt den Kopf. »Arme alte kleine My«, murmelt er.
    »Ach was«, gibt sie zurück. »Armer Ted.«
    »Ihr seid alle arme Schweine.«
    Elina setzt sich Jonah auf die Hüfte. »Komm, wir gehen nach oben.«
    Auf der Treppe dreht sie sich zu Simmy um. »Ich bleib nicht lange weg«, flüstert sie. »Höchstens eine Stunde, würde ich sagen. Ich weiß noch nicht mal, ob das, was ich vorhabe, richtig ist. Aber wenn es hilft …, wenn es ihm hilft.«
    »Ist doch ganz klar«, sagt Simmy. Er kramt etwas aus seiner Jackentasche und drückt es ihr in die Hand. »Hier, ich leih dir meinen Wagen.«
    Es sind seine Autoschlüssel. »Sim, es geht schon - ich kann doch auch ein Taxi nehmen.«
    »Nein. Der Wagen steht vor dem Haus.« Er schließt ihre Finger um den Schlüssel. »Nimm ihn.«
    Sie nickt und steckt den Schlüssel ein. »Danke«, sagt sie.
    »Ist doch das Mindeste.«
    Sie sind im ersten Stock angekommen.
    »Ted?«, sagt Elina. In der offenen Schlafzimmertür zögert sie kurz. Auf dem Teppich liegt ein Lichttrapez, in der Mitte eine blaue Socke, wie ein Schauspieler im Rampenlicht.
    »Ted?«, sagt sie noch einmal.
    Er liegt im Bett, unter der Decke, zusammengerollt und mit dem Gesicht zur Wand.

    »Ted, Simmy ist hier.«
    Die geduckte Form im Bett bewegt sich nicht.
    »Hast du gehört?«, fragt Elina. »Simmy will dich besuchen. Ted? Wie geht es dir?« Sie wirft Simmy einen Blick zu.
    Er tritt ans Bett. »Ted«, sagt er, »ich bin’s. Hör mal, Elina muss kurz weg, und ich leiste dir so lange Gesellschaft. Ich hab Illustrierte, ich hab Tageszeitungen, ich hab was zu essen, und ich hab sogar einen Sechshundertseitenschmöker über eine Sträflingskolonie in der Hinterhand, damit es uns nicht langweilig wird.« Er lässt sich in einen Sessel sinken. »Sollen wir mit den
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