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DER KLEINE TOD (German Edition)

DER KLEINE TOD (German Edition)

Titel: DER KLEINE TOD (German Edition)
Autoren: Norma Banzi
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Eins

Ein Geräusch ließ Kito aus seinem Schlaf hochzucken. Er erschrak vor düsteren, sich ihm bedrohlich nähernden Schatten. Panik jagte jäh in ihm hoch, sein Herz raste. Sein linker Arm vollführte halb reflexartig eine abwehrende und abrupte Bewegung, als wolle er jemanden wegschieben, und schlug doch nur ins Leere.
Noch benommen von seinem unruhigen Schlaf riss Kito die Augen auf und starrte angestrengt in den dunklen Raum. Sein Blick fand im Zwielicht der Dämmerung einen Fixpunkt, den Sessel, auf dem er seine Kleidung abzulegen pflegte. Erleichtert bettete er seinen Kopf auf sein Kissen zurück. Die Schatten, seine alten, ihn neckenden Bekannten, wurden wieder zu einem Tisch, zwei Sesseln, einem Kerzenständer und anderen Möbelstücken, mit denen Kito sein komfortables Schlafzimmer eingerichtet hatte.
Er hasste es, auf diese Weise zu erwachen. Wie albern es war, vor den eigenen Möbelstücken zu erschrecken, auch wenn es nur für einige Sekunden war. Mit der langsamen Beruhigung seines Herzschlages kroch wieder einmal Einsamkeit in ihm hoch, eine innere Kälte erfasste ihn und die verdammte, unumstößliche Gewissheit, ganz allein auf der Welt zu sein, gleichgültig, wie viele Bewunderer und Liebhaber er hatte. Wahrscheinlich war dieses miese Gefühl auf die plötzliche Ausschüttung irgendeines Stresshormons zurückzuführen, das nun, wo sich der Körper wieder beruhigte, das innere Gleichgewicht der Seele in Mitleidenschaft zog. Es konnte nichts anderes sein, denn eigentlich war Kito ein ziemlich ausgeglichener Mann. Was er in seiner Kindheit und Jugend erlebt hatte, hatte ihn abgehärtet. Nicht, dass er dadurch unsensibel und gefühlskalt geworden wäre. Kito hätte niemals der beste erotische Tänzer des Planeten werden können, wenn er Sensibilität und Einfühlungsvermögen nicht besitzen würde. Aber er ließ niemanden wirklich an sich heran, vielleicht nicht einmal sich selbst. Sein Innerstes, der empfindsame Wesenskern, war gut geschützt durch eine stabile Mauer, die so undurchdringlich war, dass er sogar ohne sonderliche Gefühlsregungen über die Grausamkeiten sprechen konnte, die ihm angetan worden waren.
Nur selten gelang es jemandem, Kitos innere Widerstände ein wenig zu überwinden. Mit dem Grakar-Krieger Ruy hatte er eine sehr erfüllte und liebevolle Beziehung geführt. Noch heute, mehrere Jahre nach dem Bürgerkrieg, der Ruy so grausam dem Leben entrissen hatte, trug Kito zur Erinnerung an seinen Liebhaber einen winzigen goldenen Ohrstecker in seiner Ohrmuschel. Eigentlich mochte er keinen Schmuck. Sich mit Flitter zu behängen, war ihm ein Gräuel. Der goldene Ohrstecker hatte früher Ruys Ohr geziert. Nach seinem Tod war es das einzige Stück aus seiner kärglichen Hinterlassenschaft, das Kito behalten hatte, von einigen wenigen Holoaufnahmen abgesehen, die noch heute irgendwo tief vergraben in einem Schrank lagen.
Nicht nur die innere Kälte bereitete Kito Unbehagen. Es war kühl im Zimmer. An seiner Gänsehaut bemerkte er, dass er schon seit einer ganzen Weile ohne Decke gelegen haben musste. Schnell schlüpfte er zu seinem Bettgenossen Tian zurück, dessen Körper wohlig geborgen unter der gemeinsamen Decke lag. Der junge Tänzer, Favorit unter den Männern der von Kito geführten Tanzgruppe, schlief tief und bemerkte daher wenig davon, wie sich der ausgekühlte Körper seines Liebhabers wärme- und vielleicht auch ein wenig trostsuchend an ihn schmiegte. Bald war die Kälte aus Kito vertrieben, auch wenn die Einsamkeit weiterhin an ihm nagte. Er drängte dieses unangenehme Gefühl entschlossen zur Seite und schlief wieder ein. Sein Körper brauchte noch etwas Nachtruhe, weil für den nächsten Tag ein hartes Tanztraining angesetzt war.

Die Hochzeit des Rral von den Hirten zum Gelben Felsen war das letzte Engagement für Kito und seine Truppe vor Saisonende. Die Saison hatte sie alle ziemlich erschöpft. Dennoch peitschte Kito seine Tänzer unnachgiebig durch das Training und auch sich selbst, die muskulöse Attraktion der Tanztruppe, schonte er nicht. Ihr Auftritt auf der Hirtenhochzeit sollte den Gästen für alle Zeiten unvergesslich bleiben. Deshalb übte Kito mit seinen Tänzern sogar noch einige neue Choreographien ein.
Rral von den Hirten zum Gelben Felsen war ein Computergenie, der beste Programmierer seines Heimatplaneten Deb und damit der beste der gesamten ul`chanischen Konföderation. Der Wüstenplanet Deb brachte seit vielen Generationen hervorragende Programmierer
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