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Die Häuser der anderen

Die Häuser der anderen

Titel: Die Häuser der anderen
Autoren: Silke Scheuermann
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Ines stellte Raimund vor, und alle vier taten so, als hätten sie sich längst kennenlernen wollen und wären nur durch widrige Umstände nicht dazu gekommen.
    Sie unterhielten sich eine Weile über Wien – Raimund, Ines und Anne hatten viele Museen angeschaut und waren im Burgtheater gewesen – und dann über die anstehende Reise. Christopher wollte wissen, wie viel sie für das Auto bezahlen müssten, wenn es zwei Wochen am Flughafen stand. Die ganze Zeit über beobachtete Luisa Ines. Sie trug ein buntes Stirnband und ein kurzes schwarzes Sommerkleid und hatte die Lippen rot geschminkt. Sie sah glücklich aus und nicht ansatzweise so überarbeitet wie Raimund, der zweimal zum Rauchen auf die Terrasse ging. Höchstens einen Meter fünfundsiebzig groß, hatte er auffallende, gepflegte Hände, mit denen er viel herumfuchtelte. Seine dunklen Haare waren strubbelig, aber das sollte wohl so sein. Er machte irgendetwas in der Computerbranche, erinnerte sich Luisa. Er war sympathisch, aber am liebsten hatte sie Sebastian gemocht, den Vater von Anne, der für zwei Monate nach Seattle gegangen und dann dortgeblieben war. Raimund kam zurück und sagte, wie schön er den Garten fände, und daraufhin nahm auch Ines sich einen Moment Zeit, um das Haus zu loben, aber es klang gekünstelt. Luisa, deren Aufregung sich langsam in ein mattes Gefühl von Enttäuschung verwandelt hatte, unterbrach sie: »Willst du noch ein Stück Kuchen, Anne?«
    »Wenn ich darf«, sagte die doch tatsächlich vornehm.
    Luisa klatschte ihr eines auf den Teller und ließ sich dann wieder auf den Stuhl fallen. Raimund wollte ebenfalls noch Kuchen.
    Ines sagte: »Tja, wir haben noch gar nicht gefrühstückt, ich habe gesagt, hier gibt es bestimmt was.«
    Biest, dachte Luisa. Kommt sich clever vor, ist aber zu dumm, es für sich zu behalten. Ines begann, von den Malkursen zu erzählen, die sie gab, seit sie mit Hilfe ihrer Psychotherapeutin herausgefunden hatte, dass das freie Künstlerdasein sie zu sehr stresste. Luisa lächelte in sich hinein und dachte, sie hätte ihr das ebenfalls sagen können, und zwar schneller und mit weniger Zeitaufwand und Kosten verbunden als bei einer Therapie – man brauchte eigentlich nur Ines’ letzte Bilder anzusehen. Aber sie fragte ja keiner. Ines schlug vor, sie sollte ihr doch noch den Rest des Hauses und Annes Zimmer zeigen, dann wäre es leider schon wieder Zeit für sie zu gehen. Luisa hatte nichts dagegen, dass es ein ausgesprochen kurzer Besuch wurde, denn ihr waren inzwischen wieder all die Gründe eingefallen, weshalb sie beide sich so selten sahen.
    »Ja, gehen wir hoch«, sagte sie, »lass mich nur noch meinen hässlichen Hund füttern.«
    Nachdem Ines und Raimund gegangen waren – Anne, die über das Zurückgelassenwerden nicht besonders niedergeschlagen zu sein schien, hatte versprechen müssen, jeden Abend vor dem Schlafengehen kurz anzurufen –, schlug die Tür hinter ihnen zu, und sie waren wieder allein. Mit Anne, natürlich, die von sich aus angefangen hatte, das Geschirr zusammenzuräumen. Der verlassene Tisch sah traurig aus. Die benutzten Kaffeetassen hatten Ränder, Krümel lagen auf allen Tellern außer bei Ines, die nur die Beeren gegessen und den Biskuitboden liegen gelassen hatte.
    Anne klapperte mit den Kuchengabeln.
    »Das ist nett von dir, Anne, aber das musst du doch nicht machen«, sagte Luisa überrascht.
    »Lass sie doch«, widersprach Christopher, zu dessen Aufgaben das Ein- und Ausräumen des Geschirrs eigentlich gehörte.
    Den Rest des Vormittags war Anne, genau wie Benno, immer da und beobachtete, was Luisa gerade tat. Sie zeigte weder Missfallen noch Sympathie, als ob sie erst einmal Eindrücke sammeln müsste, um sie dann zu bewerten. Luisa gab ihr eine Schüssel, damit sie ihr helfen konnte, Brombeeren zu pflücken, und sie tat es eifrig, dann sortierte sie mit Geduld und seliger Ernsthaftigkeit noch alle Blättchen und unreifen Früchte aus, die sich in die Schüssel verirrt hatten. Irgendetwas machte Luisa misstrauisch daran, aber sie konnte beim besten Willen nicht sagen, was. Sie schlug Anne vor, sie könne sich doch mit einem Korb Zapfen, Zweigen und Klebstoff auf die Terrasse setzen und etwas basteln, aber Anne wollte lieber beim Bettenmachen und Staubsaugen helfen. Während das Mädchen mit einem Tuch so sorgfältig über einen alten Sekretär im Wohnzimmer fuhr, als könnte der sich gleich bewegen und über sie beschweren, wenn sie nicht aufpasste, sagte es: »Das
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