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Die Häuser der anderen

Die Häuser der anderen

Titel: Die Häuser der anderen
Autoren: Silke Scheuermann
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ist ein schönes Haus. Ich würde auch lieber in einem ganzen Haus wohnen als bloß im dritten Stock. Früher hat unser Haus einer großen Familie gehört, einer einzigen, stell dir vor, und heute sind es fünf Wohnungen. Ganz oben, wo jetzt die alte Frau Moll wohnt, da waren die Zimmer für die Dienstboten. Ich würde am liebsten genau dort einziehen. Wenn man unter dem Dach schläft, hört man nachts den Regen, das mag ich. Ich habe keine Angst vor Gewittern. Wirklich nicht, das behaupte ich nicht nur so.«
    »Unser Gästezimmer ist leider nicht direkt unter dem Dach, aber vielleicht lässt sich da was machen.«
    Sobald Luisa den Satz ausgesprochen hatte, wurde ihr klar, dass sie absolut keine Lust hatte, Annes ganzen Kram noch mal umzuräumen. Sie hoffte, das Mädchen würde ihr halbherziges Versprechen nachher vergessen haben.
    Kurz darauf beschwerte sie sich bei Christopher: »Anne macht gar nichts für sich. Sie bastelt nicht und kann sich nicht alleine beschäftigen. Und du glaubst es nicht, aber sie will mir den ganzen Tag im Haushalt helfen. Völlig anormales Verhalten, wenn du mich fragst.«
    Er hatte sie natürlich nicht gefragt, das war sie aber schon gewöhnt. Bei dröhnender Musik arbeitete er an seiner Habilitation über das Zwitterblumenproblem und die Selbstbestäubung bei irgendwelchen Kräutern oder Unkräutern. Er murmelte, im Haushalt helfen sei ja wohl kaum ein Grund zur Beschwerde. Als er dabei kurz vom Laptop aufblickte, sah Luisa an seinen Augen, dass er ihr gar nicht zugehört hatte. Sie verschwand wieder. Natürlich, er hatte sie wiederholt gebeten, ihn nicht zu stören; aber schließlich hatten sie nicht oft ein Kind zu Gast, und sie brauchte seine Einschätzung der Situation, um ihre eventuell zu überprüfen und zu korrigieren. Sie war relativ viel allein, seit sie hierher gezogen waren, noch mehr – sie war zwei Tage die Woche am kunstgeschichtlichen Institut und gab ihre Seminare, aber das war auch schon alles. Luisa wusste, dass sie aufpassen musste; sie wurde bald vierzig, und um keinen Preis wollte sie zu diesen verschrobenen Frauen gehören, die sich ihre einsamen Gedankengebäude errichten, die kaum noch Fundamente in der Wirklichkeit haben, Luftschlösser aus Angst und unberechtigten Hoffnungen. Oder, wie in diesem Fall, Antipathie.
    Am Mittag machte Luisa Ravioli – ein Essen, das Kinder mochten –, und Christopher setzte sich kurz zu ihnen vor den Fernseher, wo das Mittagsmagazin lief. Anne war entzückt, beim Essen fernsehen zu dürfen, während Christopher auf diese Weise seinen Gedanken nachhängen konnte, und so waren alle zufrieden. Dann zog Christopher sich mit einer Tasse Kaffee zurück, um erst am Spätnachmittag müde und mit Appetit auf kalte Nudeln wieder aufzutauchen. Luisa stürzte sich sofort auf ihn.
    »Ich erzählte ihr vorhin, dass hier dienstags und samstags ein kleiner Markt ist und dass ich hingehe. Da hat sie ziemlich lange überlegt und dann gefragt, jeden Dienstag und jeden Samstag, und ich sagte, ja, genau, und dann wollte sie wissen: Und gehst du auch, wenn es regnet oder du Kopfweh hast?, und ich sagte, ja, dann nehme ich einen Regenschirm beziehungsweise eine Tablette, und sie hat daraufhin wirklich komisch geguckt. Dann habe ich ihr erklärt, dass ich auch jeden Morgen, nicht nur Dienstag und Samstag, mit Benno spazieren gehe, auch wenn es regnet oder ich krank bin, denn der Hund muss nun mal raus. Das hat sie vollkommen beeindruckt. Findest du das nicht merkwürdig?«
    »Nein, eigentlich nicht. Du kannst ihr doch auch sagen, dass ich Dienstag, Mittwoch und Donnerstag im Labor bin. Jeden Dienstag, Mittwoch und Donnerstag.« Christopher lachte schallend los. »Weißt du was, Luisa, ich glaube, sie ist einfach kein besonders geregeltes Leben gewöhnt. Ines macht das, was ihr gerade in den Kopf kommt, und so kennt Anne es. Ich denke, sie findet das furchtbar entspannend hier. Ich habe den Eindruck, sie fühlt sich ziemlich wohl.«
    Luisa war gekränkt, mehr darüber, ausgelacht zu werden, als über das, was er sagte: »Findest du unser Leben langweilig?«, fragte sie.
    Er seufzte: »Nein. Das habe ich dir schon tausendmal gesagt. Ich muss diese Arbeit zu Ende bringen. Selbst wenn unser Leben also etwas gleichförmig wäre, dann hätte dies im Augenblick für mich nur positive Seiten.«
    »Also findest du es doch eintönig.«
    Daraufhin schüttelte Christopher nur den Kopf.
    »Jetzt bist du schon wieder genervt von mir!«
    »Nein. Aber du machst
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