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Die haessliche Herzogin

Titel: Die haessliche Herzogin
Autoren: Lion Feuchtwanger
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die starr, reglos in der Roßbahre vorüberschwankte.
    Scheu und neugierig spähte das Volk, sah nichts. Da zog sie fort, krank, abgerissen, die Verderberin, die Hexe, die Mörderin, die Männersüchtige, Unersättliche, die Häßliche, die Maultasch. Hinter ihr, wild, grausam, schmutzig, schlugen groteske Legenden zusammen. Rasselten nicht und klirrten unheimlich auf ihren Schlössern die zurückgelassenen Waffen? Schepperten nicht in den Kellern und Verliesen die Gerippe der von ihr Ermordeten? Man mied die Orte, wo sie gern geweilt hatte, sie waren nicht geheuer. Man schreckte die Kinder: Wenn ihr nicht folgsam seid, holt euch die Maultasch. Das Vieh mochte das schöne, fette Gras nicht fressen auf den Almen über Schloß Maultasch.
    Als sie Innsbruck hinter sich hatte, hörte sie, in der Sänfte vor sich hin brütend, eine kleine, spitze Stimme: »Leben Sie wohl, Frau Herzogin .« Sie schrak auf, fragte das dürre Fräulein von Rottenburg: »Wer ist da ?« Das Fräulein hatte nichts gehört. Margarete spähte durch die Vorhänge. Da sah sie zwei winzig kleine, bebartete Wesen. Sie trippelten am Rande der Straße, sie schauten aus uralten, ernsten Augen auf die Herzogin, sie zogen die schmutzigbraunen, altmodischen Mützen, neigten sich ehrerbietig, viele Male. Da verlor Margarete ihre Starre, die Schultern wurden ihr schlaff, die dicke, häßliche Frau sank schwer in sich zusammen.
    Sie kam an die Grenze zum bayrischen Chiemgau.
    Hier war eine Ehrenkompanie aufgestellt, präsentierte die Lanzen. Sich senkende Fahnen, Musik. Die Vorhänge blieben heruntergelassen, die Sänfte schwankte über die Grenze, ins Bayrische. Sowie sie außer Sicht war, holten die Zollsoldaten ihrer Weisung gemäß die schönen, schweren Banner der Gräfin von Tirol herunter, gemächlich, gähnend, pfeifend, zogen an ihrer Statt die neuen, nüchternen, sauberen Fahnen hoch mit dem roten Löwen Habsburgs.
    Langsam ruderte die kräftige Magd das schwere, ungefüge Boot von der kleinen Fraueninsel weg über den Chiemsee. Es war Mittag, sehr heiß, das Wasser lag blaß, weit, still. Die beiden geistlichen Herren im Boot, der Kanzler, Bischof Johann von Gurk, und der Abt von Viktring, der Uralte, waren schlecht gelaunt. Der Florentiner Chronist Giovanni Villani, der Nebenbuhler des Abtes, hatte das sensationelle Gerücht aufgebracht, Margarete, Herzogin von Bayern, Markgräfin von Brandenburg, Gräfin von Tirol, lebe seit ihrer Abdankung in tiefster Not, der Habsburger lasse sie Hunger leiden, Entbehrung, jedes Elend. Die Herren waren nun im Auftrag Herzog Rudolfs in Frauenchiemsee gewesen, wo Margarete jetzt lebte, um sie zu bewegen, in Wien oder einer beliebigen anderen Stadt würdig hofzuhalten. Hatte ihr nicht der Habsburger die reichsten Einkünfte verschrieben, die vier Ansitze Gries bei Bozen, Stein auf dem Ritten, Amras, Sankt Martin bei Zirl, die Einkünfte der Feste Straßberg, des Passeiers, der Stadt Sterzing, dazu eine Jahresrente von sechstausend Veroneser Pfund? Die Hofhaltung der Herzogin hätte es mit der jedes deutschen Fürsten aufnehmen können. Allein weder die höflichen, klugen Argumente des Bischofs noch die lateinischen Zitate des Abtes und seine Beispiele aus der Geschichte hatten sie weglocken können.
    »Sie ist jeder Bewegung abgestorben«, klagte der Bischof auf lateinisch. »Es kümmert sie nicht, ob Tirol Frieden hat oder Krieg. Ich habe ihr von dem Einbruch des Wittelsbachers erzählt, von der brutalen Einäscherung und Plünderung des Inntals. Sie hört zu, als spräche man vom Wetter .« Der See lag ganz still, weißlich flirrend, gleichmäßig tauchten die Ruder. Der Uralte schwieg. »Dabei häufen sich ihre Einkünfte«, hub wieder der Kanzler an. »Sie werden ihr pünktlich überwiesen, kein Pfennig wird angetastet. Das Gold türmt sich in ihren Schlössern. Sie muß unausdenkbar reich sein. Beim Herkules !« schloß er ärgerlich, »jener Italiener ist ein treuloser Verleumder und Verkleinerer, ein schlechter Pasquillant.«
    Dem ausgetrockneten Uralten ging das Herz auf bei dieser Kennzeichnung des Konkurrenten. »Recht spricht deine Eminenz«, sagte er mühsam, zahnlos.
    »Wer hätte je gezweifelt, daß jener ein armseliger, niedriger Schwätzer ist ?«
    Am Ufer der kleinen Insel, vernachlässigt, grellweiß geschminkt, unter Gerank und sehr farbigen Bauernblumen, saß die Herzogin, schaute dem Boot nach. Es war ganz still, Mücken flirrten, ein Wasservogel schrie verschlafen. Ein starker Geruch von
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