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Die haessliche Herzogin

Titel: Die haessliche Herzogin
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Fischen, Netzen, Tang stand in der heißen, unbewegten Luft. Das Boot rückte sehr langsam von der Stelle, bog um die Spitze der vorgelagerten größeren Insel, war nicht mehr sichtbar.
    Aus dem niedern, gelblichgrauen, besonnten Fischerhaus kam ihr dürres Fräulein, holte die Herzogin zum Essen. Margarete stand auf, reckte sich träg, ging mit ihrem schweren, schleifenden Schritt dem Haus zu. Der Mund wulstete sich äffisch vor, die Backen hingen schlaff, riesig, unförmig herab, die Schminke konnte die Warzen nicht verdecken. Das dürre Fräulein, still, demütig, öffnete die ungefüge, niedere Tür vor ihr. Wolkig drang der Geruch gebratener Fische heraus. Margarete schnupperte ihn behaglich ein, ging ins Haus.

Zu diesem Band
    Die Anregung zu dem Roman kam vom »Volksverband der Bücherfreunde« (Berlin). Der Gründer dieses Verlages, auf der Suche nach druckbaren Manuskripten, war von Bruno Frank auf die eben von Feuchtwanger beendete Prosafassung »Jud Süß« aufmerksam gemacht worden. Sie gefiel, doch die Skepsis überwog: das noch neue verlegerische Unternehmen scheute das Risiko, einen Text jüdischer Thematik in sein Programm zu nehmen. Aber man bestellte bei Feuchtwanger einen anderen »historischen Roman« gleicher Art, Thema und Länge ihm überlassend.
    Ein Stoff war schnell bei der Hand. Feuchtwanger hatte sich mit Leben und Wirken der Tiroler Herzogin Margarete (1318–1369) beschäftigt; ihn reizte es, nach »Jud Süß« abermals »die Geschichte einer ›Abnormität‹ darzustellen«. So sagte er zu und schrieb den Roman nach eigener Aussage überaus schnell »von Oktober 1922 bis März 1923, im wesentlichen auf der Münchner Staatsbibliothek«. Im gleichen Jahr brachte der Volksverband der Bücherfreunde das Buch mit dem Titel »Die häßliche Herzogin« heraus (Wegweiser-Verlag, Berlin 1923); den Zusatz »Margarete Maultasch« gibt es erst seit der zweiten Auflage.
    Es scheint so, als habe Feuchtwanger vor allem der psychologische Aspekt fasziniert, denn in Selbstaussagen zu dem Roman bezeichnet er als dessen Gegenstand den »Kampf eines Menschen gegen die ungünstigen Bedingungen der physischen Konstitution, die ihm die Natur gegeben hat« (Antwort auf eine Umfrage der Zeitschrift »Die Literarische Welt« vom 25. Mai 1928), oder: »den Kampf einer starken, begabten Frau … gegen das häßliche Gesicht, das ihr auf ihren Weg mitgegeben ist« (»Zu meinem Stück ›Die Petroleuminseln‹«, Die Weltbühne, 18. Oktober 1927).
    Ohne Zweifel begünstigte der geschichtliche Zeitabschnitt Feuchtwangers Heldenwahl. Die literarische Gestaltung eines historischen Stoffes war ihm brauchbares Mittel zu dem mehrfach erklärten Zweck, »sein eigenes (zeitgeschichtliches) Lebensgefühl, sein subjektives (keineswegs historisierendes) Weltbild so auszudrücken, daß es sich ohne weiteres auf den Leser übertrage« (»Vom Sinn und Unsinn des historischen Romans«, 1935). So wenig vergleichbar die geschichtlichen Fakten mit den zeitgeschichtlichen auf den ersten Blick scheinen, so ergibt sich allgemein betrachtet doch Gemeinsames, das die Formulierung zeitgenössischen Lebensgefühls trägt. Es sind beide Male Zeiten des Übergangs, des Umbruchs, in denen Gültiges, die menschliche Ordnung Regulierendes, die Lebensnormen und die Hierarchie Bestimmendes einen Wandlungsprozeß durchläuft. Das Rittertum des 14. Jahrhunderts kann sich dem mächtiger werdenden Einfluß der bürgerlichen Welt, die die Möglichkeiten von Produktion, Handel und Geldwirtschaft entdeckt hat und für sich nutzt, nicht entziehen. Und sechshundert Jahre später nimmt die Menschheit wiederum Abschied von einer Welt von gestern, findet sich in veränderte Moralnormen, Lebensformen, Wertvorstellungen.
    Und es wiederholt sich, was im »Zeitalter der Vernunft« bereits als mittelalterlicher Spuk zu den Akten gelegt schien: der Antisemitismus, im Volke geschürt, ventiliert aufkommendes Mißbehagen, Unzufriedenheit, Zorn über zunehmende soziale Differenzierung.
    Obgleich beide Romane – »Jud Süß« erschien 1925 –Feuchtwanger weit mehr Erfolg brachten als seine Stücke und seine Bearbeitungen antiker Stoffe, sah er noch in den zwanziger Jahren im Schauspiel seine eigentliche literarische Aufgabe. »Die häßliche Herzogin« betrachtete er lediglich als Vorarbeit zu einem Stück, in dem er auf die für den Roman notwendige Darstellung des »Humus«, auf dem diese Frau »gewachsen ist, mitsamt ihrer Erde, ihren Bergen, ihrem Himmel, ihren
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