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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon
Autoren: Suzanne Frank
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das Kind nicht überleben würde, weil es einfach zu viel Kupfer im Körper hatte. Hätte er es als Patienten angenommen und das Kind wäre gestorben, dann hätten die Ägypter einen Vorwand gehabt, Vergeltung zu üben. Dann wären wir nicht nur Grabräuber, sondern obendrein Kindermörder gewesen. Die Augen des Kindes sahen genauso aus wie bei diesen Menschen. «
    »Also geben wir ihnen kein kupferverseuchtes Essen mehr, aber wie können wir sie wieder gesund machen?«
    Cheftu kratzte sich am Kopf und strich sich die Haare aus den Augen. »Wasser müsste die Rückstände ausschwemmen. Ansonsten fällt mir nichts ein. Irgendwas müsste sich mit dem Kupfer verbinden, um es dadurch aus dem Körper zu lösen, aber was das sein sollte, weiß ich nicht.«
    Ein Blitz schlug in die Esagila ein.
    Die halbfertige Spitze ging in Flammen auf und stürzte zu Boden, wo sie mitten in der Nacht in einem der Lagerfeuer landete.
    In diesem Moment ergriffen auch die Letzten die Flucht.
    Chloe tippte, dass nicht einmal mehr hundert Menschen hier ausharrten, die einander möglicherweise sogar verstanden. Die Patienten, aus deren Körpern sie das Kupfer auszuschwemmen versuchten, indem sie ihnen unvorstellbare Mengen Wasser einflößten, erholten sich allmählich. Oder sie starben.
    Der Winter hatte eingesetzt. Kalt und feucht. Mit Bodenfrost.
    Ich stehe im Schatten des Turmes zu Babel.
    Cheftu trat, frisch durchgespült, aus dem Schutz des Lazarettzeltes. »Jetzt schlafen alle.« In der vergangenen Nacht hatte er mehrere Beerdigungen vornehmen müssen, aber er wirkte längst nicht mehr so gramgebeugt. Stattdessen pfiff er während der Visiten, lächelte und scherzte mit den Rekonvaleszenten. Obwohl er die Medizin angeblich hasste, musste Chloe sich eingestehen, dass er seit Jahren nicht mehr so zufrieden und eifrig seinem Tagwerk nachgegangen war. Was er daran hasste, begriff sie, war seine Ohnmacht und die Unzulänglichkeit der Medizin. Eigentlich gab es für ihn nichts Schöneres, als Menschen gesund zu machen.
    »Du hast sechzig Menschen das Leben gerettet«, sagte sie.
    »Und du mir.«
    Hand in Hand schlenderten sie an die Grundmauern der Esa-gila, wo Backsteine im Regen moderten, verlassene Schubkarren herumlagen und alles voller Müll war. Inzwischen gab es wesentlich weniger Fliegen, Ratten ebenfalls. Da sie während der Tagesstunden praktisch durcharbeiteten, sah Chloe auch nicht allzu viele Insekten.
    Die Spitze der Esagila war verkohlt, und niemand vermochte zu sagen, welchen Schaden die tragenden Teile genommen hatten. Keiner von beiden hatte die Kupfer-Kranken lang genug allein gelassen, um den Turm zu erklimmen.
    »Hierfür haben wir alles gebraucht«, sagte Chloe. »Deine Vielsprachigkeit, meine Vielsprachigkeit. Alles. Kreise und Zyklen. Räder im Getriebe.«
    Cheftu starrte nach oben. »Glaubst du, wir sind hier den Vätern der Nationen begegnet?«
    »Ja.« Sie nagte an ihrer Lippe. »In meiner Zeit haben wir alles ganz falsch gedeutet.«
    »Den Turmbau zu Babel?«
    Sie nickte. »Wir haben uns über die Vorstellung eines eifersüchtigen Gottes lustig gemacht, der befürchtet, dass die Menschen es tatsächlich bis zum Himmel schaffen könnten. Wenn man weiß, dass der Himmel kein festgelegter Ort ist, dass sich da oben nur der Weltraum befindet, dann erscheint einem dieser Gedanke reichlich albern. Wir brauchen jemand, der hier sauber macht.« Sie kickte Staub auf eine vorwitzige Ratte. Das
    Tier sauste davon. »Genau hier beginnt die Tradition des Nicht-Lernens. Und seitdem lernen wir einfach nicht dazu.«
    Cheftu sah sie an. »Ich bin natürlich ganz deiner Meinung, aber wie meinst du das?«
    »Der Missbrauch des Planeten. Sieh dir das an. Haufenweise ... Bäh-Bäh. Einfach liegen gelassen. Müll. Menschen über Menschen. «
    »Laut Ziusudra hat Gott den Menschen befohlen, sich zu mehren und die Erde zu füllen.«
    »Doch stattdessen haben sie sich vermehrt und in Klumpen aufeinander gehockt. Und haben mit vereinten Kräften das Land ausgelaugt.«
    »Jetzt sind sie verstreut, aber sie werden überleben.«
    »Du warst das Werkzeug«, erkannte sie.
    Cheftu sah sie an.
    »Die ganzen Sprachen, die ganze Zeit, die gesamten Erinnerungen, die Erfahrungen haben hier ihren Ursprung.«
    »Ach ja, die Kreise, von denen du gesprochen hast.«
    »Obwohl es mich ein bisschen verwirrt, wie wir die Worte vergessen konnten, einfach indem wir sie aussprachen. Wie uns die Worte gestohlen werden konnten.«
    »Die Ägypter glaubten, dass
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