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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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Fingerhut ein, welchen Ihr Franchou verehrt, als sie vor der Pest zu Sarlat in Diensten stand.«
    »Ihr habt ins Schwarze getroffen!« rief mein Vater lachend, legte mir den Arm um die Schulter und drückte mich an sich. »O mein Pierre, Ihr versteht es wohl, Euch Eurer Haut zu wehren!«
    Meine kleine Schwester Catherine indes, welche sich in den drei Wochen meines Fernseins von einer Knospe zu einerprächtigen Blüte entfaltet hatte, fand sich nicht so leichten Herzens damit ab, daß ich ihr zu Paris nichts gekauft als einen Drehkreisel, den ich fast am selben Tag noch Alizons kleinem Henriot zum Geschenk gemacht.
    »Mein Herr Bruder«, sprach sie
a parte
zu mir, nachdem sie gesehen, wie die Gavachette sich bei Tische mit ihrem Ring von Gold spreizte, als hätte sich ihre ganze Hand in das kostbare Metall verwandelt, »habt Ihr nicht bedacht, welche Schmach Ihr mir antut, wenn Ihr dieser Zigeunertochter Gelegenheit gebt, sich solcherart vor mir aufzuspielen?«
    »Meine schöne Catherine …«, wollte ich erwidern, doch sie fiel mir ins Wort.
    »Eure schöne Catherine«, fauchte sie mit einer stolzen Miene, welche mich an meine Mutter erinnerte, »ist nicht so schön, als daß Ihr sie nicht hättet verschönern können. Mein Herr, Ihr verschenkt Eure Zuneigung, wo es nicht angebracht, und vergeßt sie, wo Ihr Euch ihrer erinnern solltet.«
    Damit fuhr sie auf ihren hohen Hacken herum, daß ihre Vertugade nur so wirbelte, und ließ mich einfach stehen, ganz betrübt über die Kränkung, die ich ihr angetan, denn ich liebte sie von Herzen, wenngleich mich ihre neue, hochmütige Art schmerzte.
    Ich war ratlos ob dieser mißlichen Lage, in die ich so unerwartet geraten, als mein Vater, der von Franchou davon erfahren, mich beim Verlassen der Tafel am Arm faßte und zu mir sprach:
    »Mein Herr Sohn, so wie die Dinge liegen, werdet Ihr wohl mit weniger als einer Halskette nicht davonkommen.«
    »Eine Halskette!« rief ich erschreckt.
    »Und zwar aus Gold. Catherine ist Eure Schwester, und so könnt Ihr nicht umhin, sie höher zu stellen als Eure Buhlin.«
    »Aber mein Vater, eine Halskette!«
    »Wer A sagt, muß auch B sagen. So ist es im Umgang mit Weibern. Oder aber Ihr zeigt Euch knauserig und knickerig wie Euer Bruder Samson und bringet niemandem etwas mit, so daß keiner enttäuscht ist, weil keiner etwas erwartet.«
    Also ging ich, bei einem ehrlichen Juden zu Sarlat, welchen mein Vater gut kannte, eine Halskette zu kaufen, und schloß solcherart wieder Frieden mit meiner kleinen Schwester Catherine, welche so klein nicht mehr war, hatte sie doch nur einmal aufzutrumpfen brauchen, um mich in die Knie zu zwingen.
    Doch kaum war der Frieden mit Catherine wieder hergestellt, flammte der Krieg an anderer Stelle von neuem auf, und ich kam aus dem Regen in die Traufe.
    »Moussu«, sprach nämlich die Gavachette, das braune Gesicht erblichen und die schwarzen Augen verdunkelt, sobald sie die Halskette auf Catherines weißer Haut gewahrte, »wenn Ihr so gut betucht seid, daß Ihr einen Ring von Gold kauft wie ich eine Brezel beim Zuckerbäcker zu Sarlat, dann hättet Ihr nicht so geizen und mich nicht um soviel geringer als Eure Schwester stellen sollen.«
    Diese Worte versetzten mich in solchen Zorn, daß ich belferte wie ein rasender Hund und die Unverschämte in meinem Grimme wohl geohrfeigt hätte, wäre sie nicht schwangeren Leibes von mir gewesen. So wandte ich mich ab von ihr und strafte sie mit Verachtung, indem ich drei Tage lang ihre Gesellschaft mied, denn daß sie meinen goldenen Ring mit einer Brezel vom Zuckerbäcker verglichen, lag mir gar schwer auf der Seele.
    Während dieser dreimal zwölf Stunden, da ich die Gavachette des »Lichtes meines Angesichts« beraubte, wie es in der Heiligen Schrift heißt, war indessen mein Gesicht gar nicht licht, denn es spiegelten sich darauf Gedanken, welche eher düster waren. Ich hatte Coligny und zwei Tage später La Place sagen hören – und auch die Herren Brüder hatten es wiederholt –, daß nichts in dieser Welt geschehe und auch kein Sperling zu Boden falle, ohne daß es Gottes Wille sei. Doch bei dem Versuche, diesen Leitsatz auf mein persönliches Schicksal anzuwenden, stellte ich immer wieder fest, daß dadurch meine Theologie in arge Bedrängnis geriet, denn wie sollte ich glauben, daß Gott in seiner unendlichen Güte mir eine Prüfung auferlegt hätte, welche in dem Augenblicke, da ich sie erleiden mußte, ganz und gar unnütz war. Sollte ich etwa glauben,
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