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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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lachen an.
    »Ei, mein Sohn!« sprach er, »nehmet solches nicht krumm. Monsieur de Sauveterre hatte nicht Euch im Sinn.«
    »Obgleich es, wenn man es recht bedenkt, auch auf Euch zutrifft«, setzte Sauveterre streng hinzu.
    Worauf mein Vater noch schallender lachte und mir die Situation erklärte, auf die hier angespielt ward: Am Tage nach meinem Aufbruch von Mespech starb der Junker von Malvézie – dem Herrgott eine Seele überantwortend, die gänzlich vomTeufel beherrscht war, welchem sie gewißlich ungesäumt zurückgeschickt ward – an einem höchst gelegenen
miserere
. Darauf veranlaßte die Herrin von Fontenac sogleich den Pfarrer Pincettes, das mich belastende Zeugnis zu widerrufen, und zog die Klage zurück, welche Malvézie gegen mich eingereicht. Da mir nun keine Gefahr mehr drohte und meine Reise unnütz geworden, schickte mein Vater einen Boten nach Montaigne, welches ich jedoch seit zwei Tagen schon wieder verlassen hatte. Er schrieb sodann an d’Argence nach Paris, doch der befand sich, wie wir später erfuhren, in seinem Landhaus und erhielt das Schreiben nicht.
    »Ei nun!« rief ich, höchstlich erstaunt, »so habe ich also unnützerweise all den Beschwerlichkeiten, Widrigkeiten und Gefahren in Paris getrotzt, um die Gnade des Königs zu erlangen. Ich war gerettet, auch mein Samson, ich wußte es nur nicht!«
    »Auf welche Weise hätten wir Euch die Kunde zukommen lassen sollen? Mir war nicht bekannt, wo Ihr in der Hauptstadt Quartier gefunden. Und bedenket, daß ein Brief einen Monat und zuweilen sogar zwei braucht, um von Sarlat nach Paris zu gelangen. Doch laßt mich fortfahren«, sprach mein Vater. »Wenn Madame de Fontenac so unverzüglich handelte, so tat sie es gewißlich aus Dankbarkeit für die Heilung, welche ich an der pestkranken Diane vollbracht, aber auch, weil Puymartin sie dazu drängte, der sie seit langem leidenschaftlich liebt und sie heiraten wird, sobald das Trauerjahr vorüber.«
    »Wenn nun«, so sprach ich, »Diane die Gefühle meines Bruders François erwidert, dann stehen die Zeichen auch günstig für ihn.«
    »Und für uns«, fügte mein Vater hinzu. »Eine Verbindung mit Fontenac und Puymartin ist für uns von größtem Vorteil, denn François wird nach seiner Hochzeit die Fontenacschen Besitzungen gemeinschaftlich mit Puymartin bewirtschaften.«
    »Also ist alles schon unter Dach und Fach?« fragte ich.
    »Noch nicht. Die sarladischen Pfaffen sträuben sich gegen die Heirat, da François Hugenott und seine Erwählte katholisch ist, doch Puymartin vermeint, daß sie mit der Zeit, mit einiger Überredungskunst und wenn man die richtigen Hände versilbert …«
    Ich berichtete nun den Brüdern von der Mär, welche Quéribus zu Sarlat über die hohe Gunst verbreiten wolle, deren ichmich beim Herzog von Anjou und beim König erfreuen soll, und wie dies unsere Zwecke weidlich fördern könne, worüber mein Vater sehr erfreut und Sauveterre recht befriedigt war, obwohl letzterem die Hochzeit nicht ganz zu schmecken schien, weil der Gedanke an die Vorteile für Mespech ihn nicht darüber hinwegtröstete, daß François wie sein Vater (und wahrscheinlich seine jüngeren Brüder) eine Götzenanbeterin heiraten würde.
    Da erschien Barberine und vermeldete, daß die Badezuber im Westturm für Samson, Giacomi und mich wohlgefüllt bereitstünden, und so ließ ich die Herren Brüder in der Bibliothek zurück, mich ungesäumt dorthin zu begeben, indes ich auf dem Wege meine liebe Amme Barberine unaufhörlich herzte und koste, denn durch sie erst wurde Mespech mit seinen zinnenbewehrten Trutz- und Schutzmauern für mich zu einem Hort der Geborgenheit, darinnen ich jene weibliche Zuneigung fand, ohne die der Mensch schon zu Lebzeiten nur ein Kadaver ist.
    »O mein Pierre!« sprach Barberine, errötend, verschämt und entzückt, »du herzest mich wie der Spatz seine Spätzin. Vergißt du, daß ich gleichsam deine Mutter bin? Muß ich dir das erst wieder beibringen?«
    »Ach geh!« erwiderte ich, »was soll daran Schlimmes sein? Ich bin dir nun einmal herzlich zugetan.«
    Und von neuem halste und koste ich sie und küßte sie vieltausendmal. Doch am Eingang zu dem Gemach im Westturm, welches mein Vater im Scherz die »Badestube« nannte, ließ ich ab von ihr, denn gleich würde ich vor Alazaïs erscheinen, welche sich stets hart und ungerührt wie ein Fels im Meer der menschlichen Schwächen zeigte, sowie vor Gavachette, welche zwar dieses Meer selbst war, doch nicht leichter zu
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