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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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besitzet trotz des Starrsinnes, den Gott ihm verliehen, ein gutes Herz.
    Der Brief des Barons Quéribus, worinnen dieser von Eurer hohen Gunst im Louvre berichtet, hat Euch meine Mutter vollends gewogen gemacht, welche bis dato noch geschwankt, während Monsieur de Montcalm seine Meinung kaum geändert hat, denn sein Beichtiger hält ihn in Angst und Schrecken mit der Vorstellung, daß sich der Schlund der Hölle sogleich unter seinen Füßen auftäte, wenn seine Tochter einen Ketzer heiratete. Meine Mutter vermeinet, daß Monsieur de Montcalm seinen Beichtvater wechseln oder der Himmel letzteren zu sich rufen müßte, was angesichts seines Alters und seines Glaubenseifers durchaus geschehen könnte. Meine Mutter vermeinet,daß Bruder Anselme, welcher Euch herzlich zugetan, seit Ihr gemeinsam gegen die Strauchritter von Barbentane gekämpft, gewißlich weniger unnachgiebig wäre.
    Monsieur, der Bote wird ungeduldig, und so muß ich zum Ende kommen. Ich bitte Euch, Ihr möget mich ob der harschen Abfuhr, welche ich jenem großen Laffen von Freier erteilt, nicht für ungehorsam und widerborstig ansehen, denn ich zeigte mich so herzlos nur gezwungenermaßen und aus Liebe zu Euch. Nun ist es heraus, dieses Wort, das ich eigentlich nicht schreiben wollte; doch jetzt, da es auf dem Papier steht, bekenne ich mich dazu.
    In seinem Grimme hat Monsieur de Montcalm angedeutet, daß Ihr in Montpellier als rechter Schürzenjäger gegolten und einen heimlichen Liebeshandel mit einer hohen Dame gehabt haben sollt. Doch wenn es sich wirklich um die von ihm genannte Dame handeln sollte, dann glaube ich ihm nicht. Denn sie könnte gleichsam meine Mutter sein, und so Ihr mich liebt, wie Ihr stets beteuert, wäret Ihr ein gar seltsamer Edelmann, wenn es Euch nach solch welkender Blüte gelüstete.
    Um schließlich auf meinen Vater und unsere Pläne, denen er so ablehnend gegenübersteht, zurückzukommen, so kann ich nur auf die Güte Gottes vertrauen und für unsere Verbindung beten. In deren Erwartung verbleibe ich, Monsieur, Eure allzeit gehorsame und Euch in Liebe zugetane Dienerin.
    Angelina
     
    Dieser Brief machte mir meine Angelina so gegenwärtig, daß ich glaubte, sie in meinen liebenden Armen zu halten. Doch ach! der Freier war zwar abgewiesen, aber meine Lage deshalb kaum gebessert. Angelina blieb mir auf Barbentane so unzugänglich wie das Weib des Großtürken, ward sie doch immer noch bewacht von einem unnachgiebigen Vater, welchen ich vor dem Messer der Strauchritter bewahrte und der sich jetzt von der Beredsamkeit seines Beichtigers an seiner dummen Nase herumführen ließ.
    Wenn ich mein Schicksal mit dem meiner Brüder verglich, fühlte ich eine nicht geringe Bitterkeit, welche mir das Leben ganz vergällt hätte, so ich ihr Herrschaft über mich gegeben. Es mochte noch angehen, daß mein Samson seine Gertrude bekam, denn zu dieser Verbindung hatte ich mein Teil beigetragen, obgleich nicht ohne Zögern, schien sie mir doch für meinenviellieben Bruder nicht ganz frei von Nachteilen. Aber François! Um seine Geliebte zu erringen, hatte er nicht in die feindliche Welt ziehen müssen und keinen Gefahren zu trotzen brauchen! Während er bequem im warmen Neste saß, flogen ihm die gebratenen Tauben ins Maul! Indem ich den Räuberbaron von Fontenac zur Strecke brachte, hatte ich für ihn die Kastanien aus dem Feuer geholt: er bekam seine Diane, teilte sich mit Puymartin die Fontenacschen Güter und würde eines Tages – wolle Gott, so spät wie möglich – noch Baron von Mespech sein! Ich hingegen, der ich durch die Welt gezogen, so viele Abenteuer bestanden und soviel gelitten hatte, war noch immer der Zweitgeborene, ohne Aussicht auf eine gesicherte Existenz und die Erfüllung meiner großen Liebe.
    Doch ich will hier kein Jammern und Wehklagen beginnen, dazu neige ich weder von meiner Wesensart noch von meiner Philosophie her. Wenn der Weise behauptet, er gehe aus jeder Prüfung weiser und trauriger hervor, so fühle ich mich nach dem, was mir zu Paris widerfahren, nicht mehr als vorher zum Weltschmerz geneigt und auch nicht, um es offen zu sagen, in meiner Weisheit sonderlich gestärkt. Doch wenn auf Mespech meine Barberine mich im ersten Morgensonnenschein wecken kommt, indes die faule Gavachette ihre Nase bis Mittag in die Kissen vergräbt, schmiege ich mich an den weichen Busen meiner Amme und lasse mich herzen und mit okzitanischen Schmeichelreden so lange verwöhnen, bis sich meine Augen ganz zu öffnen vermögen.
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