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Die grünen Augen von Finchley

Die grünen Augen von Finchley

Titel: Die grünen Augen von Finchley
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Geisteskranken vor sich hätte. »Was redest du da für dummes Zeug? Was hat Miß Marshall mit deinem Geschmack zu tun? Du hast wohl einen Tropenkoller?«
    »Absolut nicht!« Jonny rieb sich vergnügt die Hände. »Ich habe diese bildhübsche junge Dame heute auf der Straße angesprochen.«
    »Hast du ihr etwa deinen Namen genannt?« fuhr Pat ihn schockiert an.
    »Nein, vorläufig beliebte ich anonym zu bleiben. Die Vorstellung kommt noch …«
    »Sie wird nicht kommen!« zischte Pat mit wutverzerrtem Gesicht. »Umgehend wirst du wieder von hier verschwinden! Hörst du? Umgehend! Ich setze unter keinen Umständen noch einmal meine Karriere deinetwegen aufs Spiel. Im übrigen, damit du es weißt: Man hält dich in meinen Kreisen für tot …«
    »Das ist ja reizend«, warf Jonny ein, und in seinen Augen glomm ein wildes Feuer auf.
    »Ja, und ich habe es auch schon bewiesen.« Pat lehnte sich über die Schreibtischplatte. »Ich habe aus Indien tatsächlich deine Sterbeurkunde erhalten. Nach ihr bist du im vergangenen Jahr im bengalischen Dschungel am Gelben Fieber gestorben. Ein armer Landarzt von dort hat mir die gewünschte Bescheinigung ausgestellt. Es hat mich über hundert Pfund gekostet.«
    Jonny erhob sich. Ruhig, mit stechenden Augen fixierte er den Anwalt: »Dein bürgerlich-ängstliches Gequassel wird mir allmählich unerträglich. Machen wir es kurz: Was ist dir deine Existenz wert?«
    »Fünftausend Pfund.«
    »Sagen wir zehntausend!«
    Pat schüttelte es vor Wut und Ekel. Er umklammerte den Griff seines Revolvers. »Du schmutziger Erpresser! Am liebsten möchte ich dich auf der Stelle niederknallen! Du bist und bleibst ein Lump!«
    Jonny ging um den Schreibtisch herum auf seinen Bruder zu: »Diese unflätigen Beschimpfungen berechne ich mit tausend Pfund extra … Wann stehen also elftausend Pfund zu meiner Verfügung?«
    In diesem Augenblick verlor Pat den Kopf. Er sprang auf, und seine Stimme klang heiser vor Haß: »Niemals! Du Strolch, du Verbrecher!«
    Seine Worte kamen wie Peitschenschläge, und sie trafen genau ins Schwarze. Jonnys Gesicht verfärbte sich vor Jähzorn. Blitzschnell griff er in seine Brusttasche, schwang einen blinkenden Gegenstand in der Faust und stürzte sich auf seinen Bruder.
    Pat wich entsetzt ein paar Schritte zurück und riß den Revolver hoch …

2
    Woodrofs Diener hatte seinen dienstfreien Tag in der Stadt verlebt und kam gegen null Uhr nach Hause. Deshalb war er auch noch wach, als er verwundert registrierte, daß sein Herr gegen ein Uhr morgens durch die Halle des Hauses ging und die Seitentür zur Garage aufschloß. Hastig warf er sich einen Mantel über und rannte dem Anwalt nach. »Ist noch etwas, Herr Doktor?«
    Erschrocken fuhr Woodrof beim Klang der Stimme zusammen. Aus verstörten Augen sah er den Diener an und schüttelte den Kopf. »Gehen Sie ruhig wieder schlafen. Ich muß nur noch einmal in die Stadt, weil ich eine wichtige Akte im Büro liegengelassen habe.«
    In seinem Zimmer hörte der Diener wenig später, wie in der Garage der Motor der Limousine ansprang und etwa zehn Minuten im Leerlauf brummte. Dann entfernte sich der Wagen mit hoher Geschwindigkeit.
    Die ersten Morgenstunden des 22. März waren bereits angebrochen. Inspektor Corner, der Leiter der Abteilung III/Mordkommission von Scotland Yard, blickte mißmutig auf. Das Schrillen des Telefons hatte ihn aus dem Studium eines nächtlichen Vernehmungsprotokolls gerissen. Unwillig griff er den Hörer und knurrte in den Apparat: »Hier Corner, Scotland Yard …«
    Vom anderen Ende der Leitung drang eine erregte Stimme. »Sergeant Smith, Posten fünf des zweiundzwanzigsten Reviers. Ich habe eine wichtige Meldung zu machen …«
    Corner nahm den Hörer in die linke Hand, angelte sich mit der rechten einen Bleistift und schob den vor ihm liegenden Notizblock zurecht. »Na, dann schießen Sie mal los!«
    Smith räusperte sich. »Als ich so gegen vier Uhr morgens auf meiner üblichen Runde am Ausgang von Finchley den Weg nach Southgate kreuzte, sah ich am Boden eine zusammengekrümmte Gestalt. Bei der näheren Untersuchung stellte ich fest, daß da ein Mann mit eingeschlagenem Schädel in einer großen Blutlache lag. Berührt habe ich ihn nicht. Der Spuren wegen, Herr Inspektor.«
    Corner ließ den Bleistift sinken. »Gut, Smith, wir kommen sofort.«
    Finchley ist ein abgelegener Vorort Londons. Ländlich und einsam. Im dichten Nebel dieses trüben Märzmorgens aber schien es der trostloseste Platz der Welt zu
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