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Die grünen Augen von Finchley

Die grünen Augen von Finchley

Titel: Die grünen Augen von Finchley
Autoren: Heinz G. Konsalik
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diesem Toten aber sind alle Knochen heil. Nichts ist gebrochen. Bis auf die Schädelbasis. Und die ist durch Schläge mit einem stumpfen Gegenstand zertrümmert worden.«
    Das Zimmer 96 der Abteilung III/M. lag in dem großen Gebäude von Scotland Yard in der ersten Etage am Ende eines langen Korridors. Es war ein typischer Büroraum, der nur eine Besonderheit aufwies: Innerhalb des Fensters konnte eine starke eiserne Jalousie heruntergelassen werden, die das Zimmer völlig verdunkelte.
    Inspektor Corner und sein Assistent Battle waren aus Finchley zurückgekommen und hatten die Sachen des Ermordeten in Empfang genommen. Nun saßen sie vor dem Bündel Kleider, und der Sergeant notierte, was der Inspektor ihm ansagte: »Ein grauer Mantel aus Wollstoff, einfarbig. Brauner Gabardine-Anzug, hellbraune Schuhe, braunsilberne Socken. Ein brauner Hut in Camberform, rosa Hemd mit einer roten Wollkrawatte. Ein seidener, gemusterter Schal, hellgelbe, fast neue Schweinslederhandschuhe, ein schwergoldener Ring mit einem eingravierten Buddha auf einer Onyxplatte …«
    Hier machte Corner eine Pause und drehte nachdenklich den Ring in seiner Hand. Dann sagte er laut: »Ein Wunder, daß der Mörder seinem Opfer den Ring gelassen hat. Dabei kann dieses Schmuckstück den Toten doch leicht verraten. Ein Ring mit einem Buddha? – Das ist auffällig. Vergessen hat er ihn auf keinen Fall. Er muß ihn zumindest gesehen haben, als er die Fingerspitzen abbrannte.«
    Der Inspektor drehte den Ring hin und her: »Er muß etwas damit bezwecken! Er hat ihn absichtlich am Finger des Ermordeten gelassen. Alles andere fehlt doch: Brieftasche, Schlüssel, überhaupt jede Kleinigkeit, die ein Mann für gewöhnlich bei sich trägt. Nur der Ring ist geblieben … Soll er vielleicht für uns eine Falle sein? Sollen wir durch ihn auf eine falsche Spur gelockt werden?«
    Battle legte seinen Bleistift hin und sah sich nun gleichfalls den blinkenden Goldreif an. »Indische Arbeit …«, meinte er.
    »Ganz richtig … In den Kolonien kostet so ein Ring etwa dreihundert Rupien und ist ein beliebter Andenkenartikel. Der Tote muß also in Indien gewesen sein … Oder der Mörder! Oder der, auf den der Verdacht fallen soll. Aber das ist auch alles, was wir wissen, Battle. – Zunächst müssen wir klären, wie es ein Mensch fertigbringt, in einer Regennacht bei völlig aufgelöstem Boden spurenlos zu morden. Das ist in meiner Praxis wirklich einmalig!«
    Der Sergeant blinzelte listig. »Vielleicht ist es gar nicht der Tatort, an dem wir vorhin standen.«
    Corner warf ihm einen ironischen Blick zu: »Sie haben Ideen, Mann! – Erst die Sache mit dem Flugzeug und jetzt der Zweifel am Tatort … Und die große Blutlache? – Ja, meinen Sie denn allen Ernstes, ein Mörder bringt einen Toten mit und dazu einen Kübel Blut, den er dann um den zertrümmerten Schädel seines Opfers auf den Boden gießt?«
    »Das wäre mal etwas wirklich Neues, Chef.« Battle verzog angewidert das Gesicht.
    Da schlug sich Corner mit der flachen Hand auf die Stirn. »Battle …«, rief er begeistert, »das ist möglich! Der Mörder kann die Blutlache künstlich erzeugt haben. Wir müssen sofort wieder nach Finchley …!«

3
    Es war zehn Uhr vormittags, als Evelyn Marshall, die einzige Tochter des Großindustriellen Sir John Marshall, in der Bibliothek ihres Vaters saß und die Privatpost sichtete, die sie ihm ins Büro bringen wollte. Ein leises Pochen an der Tür ließ sie aufblicken.
    Gleich darauf trat der Diener ein und überreichte ihr ein umfangreiches Paket. »Für das gnädige Fräulein«, sagte er steif. »Man hat es soeben abgegeben. Sie wüßten Bescheid, meinte der Bote. Es sei alles erledigt.«
    »Für mich?« Evelyn erhob sich und trug das Paket zum Fenster, wo sie es auf einen Tisch legte und öffnete. Verständnislos starrte sie auf den Inhalt: Es war ein selten schöner Blaufuchsmantel.
    Im selben Moment fiel ihr eine unangenehme Begegnung ein, die sie am Tag zuvor gehabt hatte: Als sie gegen fünf Uhr nachmittags im Verlauf eines Stadtbummels vor den Auslagen eines Pelzgeschäftes stehengeblieben war, erklang plötzlich eine tiefe Männerstimme hinter ihr: »Der Blaufuchs würde wunderbar zu Ihren blonden Locken passen!«
    Empört darüber, daß man sie auf der Straße anzusprechen wagte, hatte sie sich umgedreht und in ein breites Gesicht gesehen, das von zwei merkwürdig kalten, grünen Augen beherrscht wurde.
    Und wieder dröhnte die Stimme: »Sie halten gewiß nicht
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