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Die große Zukunft des Buches

Titel: Die große Zukunft des Buches
Autoren: Umberto Eco , Jean-Claude Carrière
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Sie besitzen, ist eine echte Sammlung. Das ist ein Werk, das Sie mit langem Atem aufgebaut haben, und Sie möchten nicht, dass es zerstückelt wird. Das ist normal. Es spricht von Ihnen vielleicht ebenso beredt wie Ihre eigenen Werke. Was mich betrifft, würde ich dasselbe behaupten: Der Eklektizismus, der den Aufbau meiner Bibliothek bestimmt hat, spricht ebenso deutlich von mir. Man hat mir mein Leben lang immer wieder gesagt, ich sei zerstreut. Meine Bibliothek ist also nach meinem Bilde.
     
    U. E.: Ich weiß nicht, ob die meine nach meinem Bilde ist. Ich habe es gesagt, ich sammle Werke, an die ich nicht glaube, also handelt es sich um ein umgekehrtes Bild von mir. Oder vielleicht ein Bild von mir als widersprüchlichem Geist. Meine Unsicherheit hat ihren Grund darin, dass ich meine Sammlung nur sehr wenigen Menschen zeige. Eine Büchersammlung ist ein einsames, ein onanistisches Phänomen, und nur selten finden Sie Leute, die Ihre Leidenschaft teilen können. Wenn Sie sehr schöne Bilder besitzen, kommen die Leute und bewundern sie. Aber nie werden Sie jemanden finden, der sich wirklich für Ihre Büchersammlung interessiert. Man versteht nicht, warum Sie einem Büchlein ohne jeden Reiz solche Bedeutung beimessen und warum Sie Jahre der Recherchen dafür aufgewandt haben.
     
    J.-C. C.: Zur Rechtfertigung unseres lasterhaften Hangs würde ich sagen, dass man zu einer Erstausgabe eine Beziehung haben kann fast wie zu einer Person. Eine Bibliothek, das ist ein bisschen wie Gesellschaft, eine Gruppe von lebendigen Freunden, Individuen. An dem Tag, da Sie sich ein wenig isoliert, ein wenig niedergeschlagen fühlen, können Sie sich an sie wenden. Sie sind da. Im Übrigen veranstalte ich gelegentlich Wühlaktionen und entdecke verborgene Dinge, von denen ich vergessen hatte, dass sie da waren.
     
    U. E.: Ich habe schon gesagt, das ist ein einsames Laster. Aus rätselhaften Gründen ist die Zuneigung, die wir für ein Buch empfinden können, in keiner Weise an seinen Wert gebunden. Ich habe Bücher, an denen ich sehr hänge und die keinen großen kommerziellen Wert besitzen.
     
    J.-P. DE T.: Was stellen Ihre Sammlungen vom bibliophilen Standpunkt aus dar?
     
    U. E.: Ich glaube, gewöhnlich verwechselt man gern Privatbibliothek und Sammlung alter Bücher. Zusammengerechnet besitze ich an meinem Hauptwohnsitz und an verschiedenen Nebenwohnsitzen insgesamt fünfzigtausend Bücher. Aber das sind moderne Bücher. An seltenen Büchern habe ich tausendzweihundert Titel. Aber da gibt es noch einen Unterschied. Die alten Bücher habe ich selbst ausgesucht (und bezahlt), die modernen Bücher sind solche, die ich im Lauf der Jahre gekauft habe, aber auch, und in zunehmendem Maße, Bücher, die ich geschenkt bekomme. Nun, obwohl ich recht viele an meine Studenten weitergebe, behalte ich doch eine ziemlich große Menge davon, und so kommt es zu der Zahl fünfzigtausend.
     
    J.-C. C.: Wenn ich meine Sammlung von Märchen und Legenden beiseite lasse, besitze ich vielleicht zweitausend alte Bücher von insgesamt dreißig- oder vierzigtausend. Aber einige dieser Werke sind manchmal eine Last. So können Sie sich zum Beispiel nicht trennen von einem Werk, das ein Freund Ihnen gewidmet hat. Dieser Freund könnte Sie besuchen kommen, und da muss er sein Buch sehen können, gut plaziert.
    Es gibt auch Leute, die schneiden den Namen des Gebers auf der Widmungsseite aus, um das Exemplar an den Quais verkaufen zu können. Das ist fast so schlimm wie das Zerschneiden von Inkunabeln, um sie Seite für Seite verkaufen zu können. Ich stelle mir vor, dass Sie auch Bücher von all den Freunden bekommen, die Umberto Eco doch wohl in der ganzen Welt hat!
     
    U. E.: Zu diesem Thema habe ich einmal eine Berechnung angestellt, aber das ist schon ein Weilchen her, ich müsste sie auf den neuesten Stand bringen. Ich bin ausgegangen vom Quadratmeterpreis für eine Wohnung in Mailand, weder im historischen Zentrum (zu teuer) noch am proletarischen Stadtrand. Ich musste mich also darauf einstellen, für eine einigermaßen gutbürgerliche Wohnung 6000 Euro auszugeben, bei einer Wohnfläche von fünfzig Quadratmetern ergab das also 300000 Euro. Wenn ich nun den Raum der Türen, Fenster und anderen Elemente abzog, den »vertikalen« Raum der Wohnung notwendig beschnitt, oder anders ausgedrückt, die Stellfläche an den Wänden berechnete, konnte ich real nur von fünfundzwanzig Quadratmetern ausgehen. Ein vertikaler Quadratmeter kostete mich also 12000
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