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Die große Zukunft des Buches

Titel: Die große Zukunft des Buches
Autoren: Umberto Eco , Jean-Claude Carrière
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keine wertvollen Bücher. Es sind anonyme Erzählungen in oft sehr schlichten Ausgaben, und die einzelnen Exemplare sind manchmal recht mitgenommen. Ich würde dieses Ensemble von drei- oder viertausend Bänden gern einem Volkskundemuseum oder einer Spezialbibliothek vermachen. Aber ich habe noch keine gefunden.
    Die zweite Sammlung, der ich gern ein besonderes Schicksal zudenken möchte (aber ich weiß noch nicht, welches), ist diejenige, die ich zusammen mit meiner Frau angelegt habe. Sie betrifft, ich erwähnte es bereits, Persienreisen seit dem 16. Jahrhundert. Vielleicht interessiert sich unsere Tochter eines Tages dafür.
     
    U. E.: Meine Kinder lassen kein Interesse erkennen. Meinem Sohn gefällt die Vorstellung, dass ich die Erstausgabe des Ulysses besitze, und meine Tochter konsultiert häufig mein Kräuterbuch von Mattioli aus dem 16. Jahrhundert, aber dasist auch alles. Im Übrigen bin ich erst mit über fünfzig ein wirklicher Bibliophiler geworden.
     
    J.-P. DE T.: Fürchten Sie sich vor Dieben?
     
    J.-C. C.: Eines Tages hat man mir ein Buch gestohlen, und nicht irgendeins, es war die Erstausgabe der Philosophie im Boudoir von de Sade. Ich glaube, ich weiß, wer der Dieb war. Es geschah während eines Umzugs. Ich habe es nie mehr wiedergefunden.
     
    U. E.: Das war jemand vom Fach, der da vorbeigeschaut hat. Am gefährlichsten sind die bibliophilen Diebe, diejenigen, die ein einziges Buch stehlen. Die Buchantiquare haben aber bald heraus, wer diese kleptomanischen Kunden sind, und warnen ihre Kollegen. Gewöhnliche Diebe sind für einen Sammler nicht gefährlich. Stellen Sie sich vor, irgendwelche unbedarften Einbrecher wagen sich an meine Sammlung heran. Sie bräuchten zwei Nächte, um sämtliche Bücher in Kisten zu packen, und dann einen Lastwagen, um sie zu transportieren.
    Sodann – wenn das gesamte Ensemble nicht inzwischen von Arsène Lupin aufgekauft und in der hohlen Nadel versteckt wurde – würden die Bouquinisten ihnen nur einen Spottpreis dafür geben, und nur skrupellose Händler, denn es wäre klar, dass es sich um Diebesgut handelt. Im Übrigen legt ein guter Sammler für jedes seltene Buch eine Karteikarte an, wo sogar die Mängel beschrieben werden und alle anderen Identifikationsmerkmale, und dann gibt es eine Einheit der Polizei, die auf Kunst- und Bücherraub spezialisiert ist. In Italien beispielsweise ist die besonders effizient, da sie in der Zeit ausgebildet wurde, als es darum ging, imKrieg verlorengegangene Kunstwerke wieder aufzuspüren. Und zuletzt, wenn ein Dieb beschließt, nur drei Bücher mitzunehmen, täuscht er sich bestimmt und greift zu den imposantesten Formaten oder denen mit dem schönsten Einband, während das wirklich seltene Buch vielleicht so klein ist, dass man es übersieht.
    Eine größere Gefahr stellt schon der verrückte Sammler dar, der eigens jemanden schickt, weil er weiß, dass Sie dieses bestimmte Buch besitzen und er es absolut haben will, auch um den Preis eines Diebstahls. Aber da müssten Sie schon die Folio -Ausgabe des Shakespeare von 1623 besitzen, sonst lohnt es sich nicht, so viele Risiken auf sich zu nehmen.
     
    J.-C. C.: Sie wissen, dass es »Antiquare« gibt, die in ihren Katalogen Möbel anbieten, die noch bei ihrem Besitzer stehen. Wenn man interessiert ist, organisieren sie den Diebstahl, und zwar nur dieses einen Möbelstücks. Aber im Allgemeinen stimme ich mit dem überein, was Sie sagten. Man hat einmal bei mir eingebrochen. Die Diebe haben den Fernseher mitgenommen, einen Radioapparat, ich weiß nicht mehr, was sonst noch, aber kein einziges Buch. Sie haben zweitausend Euro Beute gemacht, während sie mit nur einem einzigen Buch das Fünf- oder Zehnfache dieser Summe hätten erzielen können. Die Ignoranz schützt uns also.
     
    J.-P. DE T.: Ich nehme an, jeden Büchersammler plagt irgendwo die Angst vor dem Feuer?
     
    U. E.: O ja! Und das ist der Grund, weshalb ich beträchtliche Summen für die Versicherung meiner Sammlung aufbringe. Es ist kein Zufall, dass ich einen Roman über eine brennende Bibliothek geschrieben habe. Ich habe ständigAngst, mein Haus könnte abbrennen. Und heute weiß ich auch, warum. Die Wohnung, in der ich im Alter zwischen drei und zehn Jahren wohnte, lag unter der des Feuerwehrhauptmanns unserer Stadt. Sehr häufig, manchmal mehrmals in der Woche, wurde mitten in der Nacht ein Brand gemeldet, und die Feuerwehrleute kamen mit Sirenengeheul an und rissen den Hauptmann aus dem Schlaf. Vom Lärm
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