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Die große Zukunft des Buches

Titel: Die große Zukunft des Buches
Autoren: Umberto Eco , Jean-Claude Carrière
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Hände und Augen verbrennen. Das Lesen dieser glühenden Zeilen war, ebenso wie das Schreiben, ein subversiver Akt.
    Die subversive Dimension in derlei Veröffentlichungen bleibt auch nach der Revolution erhalten, aber in der sozialen Sphäre, nicht mehr in der politischen. Was natürlich nicht verhinderte, dass sie verboten wurden. Das ist der Grund, weshalb gewisse Autoren von pornographischen Texten standhaft leugneten, sie geschrieben zu haben, und das bis in unsere Tage. Aragon hat stets bestritten, der Autor von Con d’Irène zu sein. Eines ist allerdings sicher: Sie haben diese Sachen nicht geschrieben, um damit Geld zu verdienen.
    Das Verbot, das diese für das »Enfer« bestimmten Texte traf, führte dazu, dass sie nur in wenigen Exemplaren verkauft wurden. Da ist eher das Bedürfnis zu schreiben am Werk als der Wunsch, Geld zu verdienen. Als Musset zusammen mit George Sand Gamiani schrieb, verspürte er wahrscheinlich das Bedürfnis, seinen üblichen Manierismen zu entkommen. Also packte er die Sache direkt an. Es sind »drei Nächte der Exzesse«.
    Ich habe diese Fragen öfter mit Milan Kundera erörtert. Er meinte, dem Christentum sei es durch die Beichte, durch eine tiefgehende Überzeugungsarbeit gelungen, bis ins Bett der Liebenden vorzudringen und sie in ihren erotischen Spielen einzuschränken, besser gesagt, Schuldgefühle in ihnenzu erzeugen, ihnen ein Gefühl von Sünde zu vermitteln, das vielleicht köstlich ist, wenn sie beispielsweise gerade Sodomie begehen, was später aber gebeichtet und gebüßt werden muss. Eine Sünde, die letztlich zur Kirche zurückführt. Während dem Kommunismus das nie gelungen ist. Der Marxismus-Leninismus, so komplex und machtvoll organisiert er auch war, machte an der Schwelle zum Schlafzimmer halt. Ein Paar, möglichst ein nicht getrautes, das in Prag unter der kommunistischen Diktatur miteinander schlief, war sich noch bewusst, einen subversiven Akt zu begehen. Die Freiheit fehlte ihnen allenthalben. In all ihren Lebensäußerungen, außer im Bett.

Was wird aus meiner Bibliothek
nach meinem Tod?
    J.-P. DE T.: Sie, Jean-Claude, haben erzählt, Sie seien genötigt gewesen, einen Teil Ihrer Bibliothek zu verkaufen, und hätten darüber keinen allzu großen Kummer empfunden. Ich möchte Sie nun nach der künftigen Bestimmung dieser Sammlungen fragen, die Sie angelegt haben. Wenn man Schöpfer eines solchen Ensembles ist, eines bibliophilen Werks, ist man notwendig verpflichtet, sich über dessen Los Gedanken zu machen für die Zeit, wenn man einmal nicht mehr imstande ist, sich selbst darum zu kümmern. Wenn Sie gestatten, würde ich also gern über das Schicksal Ihrer Bibliotheken nach Ihrem Ableben sprechen.
     
    J.-C. C.: Meine Sammlung ist in der Tat amputiert worden und seltsamerweise hat es mich überhaupt nicht gegrämt, ein ganzes Konvolut schöner Bücher zu verkaufen. Aber bei der Gelegenheit habe ich eine erfreuliche Überraschung erlebt. Ich hatte einen Teil meines Bestands an Surrealisten, der damals einige ziemlich schöne Sachen enthielt – Manuskripte, Widmungsexemplare –, René Oberlé übergeben und ihn beauftragt, sie nach und nach zu verkaufen.
    Als meine Schulden endlich abbezahlt waren, habe ich ihn angerufen, um zu erfahren, wie der Stand dieser Verkäufe war. Er teilte mir mit, dass noch eine ganze Menge Bücher übrig sei, die keinen Abnehmer gefunden hatten. Ich bat ihn, sie mir zurückzuschicken. Mehr als vier Jahre waren vergangen. Das Vergessen hatte seine Arbeit begonnen. Ichhabe Bücher wiedergefunden, die ich mit der ganzen Überraschung der Neuentdeckung wieder in Besitz nahm. Wie intakte Flaschen großer Weine, die ich meinte ausgetrunken zu haben.
    Was nach meinem Tod aus meinen Büchern wird? Meine Frau und meine beiden Töchter werden darüber entscheiden. Testamentarisch werde ich bestimmt das eine oder andere Buch dem einen oder anderen meiner Freunde vermachen. Als postumes Geschenk, als ein Zeichen, als Vermächtnis. Um sicher zu sein, dass er mich nicht völlig vergisst. Ich überlege bereits, was ich Ihnen gern vererben würde. Ach, wenn ich den Kircher hätte, der Ihnen fehlt … aber ich habe ihn nicht.
     
    U. E.: Was meine Sammlung angeht, so möchte ich natürlich nicht, dass sie zerstreut wird. Meine Familie kann sie an eine öffentliche Bibliothek geben oder sie durch eine Auktion versteigern. In diesem Fall wird sie komplett an eine Universität verkauft. Das ist alles, was für mich zählt.
     
    J.-C. C.: Was
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