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Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2

Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2

Titel: Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2
Autoren: Clark Ashton Smith
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Aufenthalts auf jener Insel zu berechnen. Die Zeit schien keine rechte Bedeutung mehr zu haben. Aber selbst wenn es anders gewesen wäre, befand ich mich in einem geistigen Zustand, der keine genauen Berechnungen zuließ. Alles war so unmöglich und unwirklich, glich einer absurden und unangenehmen Halluzination. Und während der Hälfte der Zeit flüchtete ich mich in den Glauben, alles sei bloß eine Fortsetzung meines Deliriums – und ich treibe noch immer im Boot auf dem offenen Meer herum. Immerhin war dies die vernünftigste Annahme. So wundere ich mich nicht, dass jene, die meine Geschichte vernommen haben, sich anderen Erklärungen verweigern. Und ich selbst würde gerne beipflichten, gäbe es da nicht ein oder zwei gewichtige Details …
    Die Art und Weise, wie ich meine Zeit auf der Insel zubrachte, ist mir ziemlich vage im Gedächtnis geblieben. Mir ist noch erinnerlich, dass ich unter den Sternen geschlafen habe, außerhalb jener Stadt, und ferner, dass ich gegessen und getrunken habe und jene Leute Tag für Tag beobachtete, wie sie ihre hoffnungslosen Studien betrieben. Manches Mal drang ich in die Häuser ein und nahm mir Nahrung. Ein- oder zweimal, wenn ich mich richtig besinne, habe ich gar auf einer Liege in einem Zimmer geschlafen, ohne von den Eigentümern beachtet oder verscheucht zu werden. Es gab nichts, was den Bann ihrer Besessenheit brechen oder sie dazu bringen konnte, mich wahrzunehmen, und alsbald gab ich diese Versuche auf. Im Laufe der Zeit wollte es mir scheinen, dass ich selbst nicht weniger unwirklich geworden war, nicht weniger zweifelhaft und substanzlos – geradeso, wie es ihre Missachtung mir gegenüber anzudeuten schien.
    Mitten in meiner Verwirrung ertappte ich mich jedoch bei der Frage, ob es wohl möglich sei, von dieser Insel fortzukommen. Ich entsann mich meines Bootes und daran, dass ich keine Ruder besaß. Doch von nun an widmete ich mich zaghaften Vorbereitungen zur Abreise. Bei hellem Tageslicht und unter den Augen der Stadtbewohner nahm ich zwei Ruder von einer der Galeeren im Hafen an mich und trug sie über die Hügelkette davon – zu jenem Ort, an dem mein Boot versteckt lag.
    Die Ruder waren sehr schwer, ihre Blätter breit wie Fächer und ihre Griffe über und über verziert mit Hieroglyphen aus Silber. Auch eignete ich mir aus einem der Häuser zwei Tonkrüge an, bemalt mit barbarischen Gestalten, und trug sie zur Lagune, in der Absicht, sie bei meiner Abfahrt mit frischem Wasser zu füllen. Außerdem verschaffte ich mir einen Vorrat an Lebensmitteln. Doch irgendwie lähmte die hirnvernebelnde Rätselhaftigkeit all dessen meine Initiative. Selbst als ich alles zusammengetragen hatte und bereit für die Abreise war, zögerte ich noch. Ich fühlte, dass auch die Städter unzählige Male versucht haben mussten, in ihren Galeeren zu entkommen – und immerfort war es misslungen. Und so verhielt ich mich abwartend wie ein Mensch im Griff eines lächerlichen Albtraums.
    Eines Abends, als wiederum all jene merkwürdig verschobenen Sternkonstellationen am Firmament erschienen waren, merkte ich, dass etwas Ungewöhnliches vor sich ging. Die Leute standen nicht mehr in Gruppen brütend und debattierend herum, sondern hasteten allesamt zu jenem tempelgleichen Bauwerk. Ich folgte ihnen und spähte zur Tür hinein.
    Das Innere des Tempels wurde von zuckendem Fackelschein erhellt, der dämonische Schatten auf die Menge sowie auf das Götzenbild warf, vor dem die Versammelten ihre Köpfe neigten. Räucherdüfte brannten und düstere Gesänge erklangen in der vokalreichen Sprache, an die sich mein Ohr inzwischen gewöhnt hatte. Sie flehten das grässliche Abbild mit den Gorillaarmen und dem halb menschlichen, halb tierischen Konterfei an. Es fiel mir nicht weiter schwer, den Grund dafür zu mutmaßen. Anschließend ebbten die Gebete zu einem kummervollen Wispern ab, das Wallen der Weihrauchschwaden dünnte sich aus und das kleine Kind, das ich einmal gesehen hatte, stieß man auf einen leeren Platz zwischen der Versammlung und dem Götzenbild nach vorne.
    Bis zu diesem Moment hatte ich geglaubt, der Gott bestehe aus Holz oder aus Stein – doch jetzt, in einem Aufblitzen aus Schrecknis und Bestürzung, fragte ich mich, ob dies womöglich ein Irrtum war. Denn die schrägen Augen öffneten sich weit und blinzelten hinab auf das Kind. Die langen Arme, die in Fingern mit Messerkrallen endeten, erhoben sich langsam und griffen nach vorn. Reißzähne spitz wie Pfeile manifestierten
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