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Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2

Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2

Titel: Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2
Autoren: Clark Ashton Smith
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Poeten entsprach, war das wenige, das er zusammengespart hatte, inzwischen aufgebraucht. Er besaß keinen Penny mehr. Seine Kleidung war so verschlissen, dass er sich damit in keiner Redaktion mehr blicken lassen konnte, und er war so viel durch die Straßen gelaufen, dass seine Schuhsohlen sich allmählich auflösten. Schon seit Tagen hatte er nichts mehr gegessen, die letzte Mahlzeit hatte er, wie auch die Mahlzeiten davor, nur dem weichen Herzen seiner irischen Zimmerwirtin zu verdanken.
    Aus mehr als einem Grund hätte Alvor nicht ausgerechnet den Tod durch Ertrinken gewählt. Vom Standpunkt des Ästheten aus wirkte das schmutzige, eiskalte Wasser nicht gerade einladend. Außerdem war er trotz allem, was er an Gegenteiligem gehört hatte, davon überzeugt, dass ein derartiger Tod äußerst quälend und schmerzhaft sein musste. Wäre ihm eine Wahl vergönnt gewesen, hätte er sich für eines der hervorragenden Rauschmittel aus dem Orient entschieden, die süßen Schlaf voll herrlicher Träume schenken und einen sanft in die ewige Nacht und das Vergessen hinübergleiten lassen. Oder, falls das nicht so leicht aufzutreiben gewesen wäre, für ein tödliches, gnädig schnell wirkendes Gift. Doch einem Mann mit leerer Brieftasche bleiben solche Mittel, den Lethe zu überqueren, verwehrt.
    Alvor verfluchte sich dafür, dass er nicht so vorausschauend gewesen war, für einen solchen Fall genügend Geld zurückzulegen. Schaudernd stand er im Dämmerlicht auf der Brücke und blickte hinab auf die trüben Fluten und den nicht minder tristen Nebel, durch den allmählich verschwommen die Lichter der Stadt brachen. Anschließend hob er, wie es jemand vom Land instinktiv tut, der zugleich Fantasie und Sinn für das Schöne besitzt, den Blick zum Himmel über der Stadt, um sich zu vergewissern, ob die Sterne zu sehen waren.
    Er dachte an die Ode an Antares, die er erst vor Kurzem geschrieben hatte, und zwar im Gegensatz zu seinen früheren Werken in Vers libres . Sie war voll von modernistischer Ironie vermischt mit poetischer Schwärmerei. Dennoch erwies sich sein jüngster lyrischer Anlauf als ebenso unverkäuflich wie seine übrigen Gedichte. Mit einem weitaus verbitterteren Sinn für Ironie, als er ihn in seine Ode gepackt hatte, hielt er nach dem rötlichen Funkeln des Antares Ausschau, vermochte ihn im verhangenen Himmel jedoch nicht auszumachen. Sein Blick wanderte, ebenso wie seine Gedanken, zum Fluss zurück.
    »Das brauchen Sie nicht zu tun, junger Freund«, sagte eine Stimme direkt neben ihm.
    Alvor schreckte zusammen. Es waren nicht allein die Worte, auch nicht das Wissen um sein Vorhaben, das sie preisgaben, sondern ebenso etwas undefinierbar Fremdartiges in seiner Stimme. Sie klang gleichermaßen kultiviert und befehlsgewohnt, doch schwang in ihr noch etwas anderes mit, das er mangels geeigneter Worte oder Vergleiche nur als metallisch und unmenschlich zu bezeichnen vermochte. Während ihm mit einem Mal alles Mögliche durch den Kopf ging, wandte er sich um zu dem Fremden, der ihn angesprochen hatte.
    Der Mann war weder unverhältnismäßig noch außergewöhnlich groß. Mit Mantel und Zylinder war er nach der aktuellen Mode gekleidet. Seine Gesichtszüge waren, soweit man das im Dunkeln beurteilen konnte, nicht ungewöhnlich – bis auf die glühenden Augen mit den schweren Lidern, die an ein nachtsichtiges Tier erinnerten. Und doch ging von ihm etwas unvorstellbar Fremdartiges, Fernes, Andersartiges aus – ein Gefühl, wesentlich offenkundiger und hartnäckiger als alles, was Gestalt, Geruch oder Stimme zu vermitteln mochten. Es war so intensiv, dass es beinahe greifbar schien.
    »Ich sage es nochmals«, fuhr der Mann fort, »Sie haben keinen Grund, sich in diesen Fluss zu stürzen. Ihr Schicksal kann gänzlich anders verlaufen, wenn Sie möchten … Fürs Erste wäre es mir eine Ehre und eine Freude, wenn Sie mich in mein Zuhause begleiten würden. Es ist nicht weit von hier.«
    Verwirrt und so benommen, dass er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte, geschweige denn überhaupt wusste, wohin es ging oder wie ihm geschah, folgte Alvor dem Fremden mehrere Häuserblocks weit durch die wogenden Nebel. Ihm war kaum bewusst, wie er hergekommen war, als er sich schließlich in der Bibliothek eines alten Gebäudes wiederfand, das einst wohl erheblichen Anspruch auf aristokratische Würde angemeldet hatte. Die Wandtäfelung, der Teppich und die Möbel waren allesamt antik und sowohl selten als auch
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