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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin
Autoren: Peter Prange
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und was immer sie vorbringen würde, es würde nichts nützen. Wenn ihr Vater und die Gemeinde beschlossen hatten, dass sie Francisco Mendes heiraten sollte, dann würde ihr nichts anderes übrigbleiben, als zu gehorchen. Trotzdem: Musste sie sich willenlos in ihr Schicksal fügen? Nur um in der Lüge ein bequemes Leben zu führen? Wenn ihr Vater das glaubte, dann hatte er sich verrechnet! Eine Waffe besaß auch sie, und sie war bereit, diese Waffe zu nutzen. »Gott sei gelobt, endlich nimmst du Vernunft an«, sagte ihr Vater, der ihr Schweigen als Einverständnis deutete. Und bevor sie etwas einwenden konnte, drehte er sich zu Brianda um: »Bring deine Schwester zur Mikwa, gleich wird es Nacht. Es ist höchste Zeit für das Tauchbad.«
     
     
     

3
     
    Zur selben Stunde betrat am anderen Ende Europas, viele tausend Meilen von Lissabon entfernt, der Dominikanerpater Cornelius Scheppering im schwarz-weißen Habit seiner Ordensgemeinschaft die Zelle seines Glaubensgenerals. Obwohl er schon an die vierzig Jahre alt war, strahlte sein blasses, längliches Gesicht mit den quellklaren Augen und den rosafarbenen Wangen sowie dem blonden, engelsgleich gelockten Haar, das rings um seine Tonsur spross, die Unschuld eines Kindes aus. Drei Wochen war er über Land gefahren, auf holprigen Straßen voller Schlaglöcher und Morast, um mit der Thurn-und-Taxis-Post von Antwerpen nach Rom zu eilen, in die Hauptstadt der Christenheit. Am Mittag war er in der Ordensburg der Dominikaner angekommen, und noch immer spürte er vom Rütteln und Schütteln der endlos langen Fahrt jeden einzelnen Knochen im Leib. Doch nachdem er sich durch nahrhafte Speisen gestärkt, vor allem aber seine Seele durch den Besuch der heiligen Messe sowie das Chorgebet mit seinen Glaubensbrüdern erquickt hatte, wollte er nicht säumen, noch an diesem Abend das Gespräch zu führen, um dessentwillen er die Beschwerlichkeit der Reise auf sich genommen hatte. Die Dringlichkeit seiner Mission duldete keinen Aufschub. Kein Geringerer als Kaiser Karl V. hatte ihn nach Rom geschickt. »Gelobt sei Jesus Christus.« »In Ewigkeit. Amen.«
    Die Zelle des Glaubensoberen war ein karger, weiß getünchter Raum von wenigen Schritten im Quadrat, und obwohl Gian Pietro Carafa, wie der Ordensmeister mit weltlichem Namen hieß, einem alten römischen Adelsgeschlecht entspross, unterschied sich seine Zelle in nichts von denen der einfachen Brüder. Die einzige Zierde war ein hölzernes Kreuz mit dem leidenden Christus, das als stete Mahnung zu Einkehr und Buße über dem Schreibpult hing.
    »Was führt Euch den langen Weg hierher?«, fragte Carafa, nachdem er mit Cornelius den Bruderkuss getauscht hatte. »Kaiser Karl ist von großer Sorge erfüllt. Seine Heiligkeit der Papst zögert immer noch, dem Begehren seines Glaubensvolkes nachzugeben und die Inquisition in Portugal einzusetzen. Er bittet darum die dominikanische Bruderschaft, als den für das Glaubensgericht zuständigen Orden, ihren Einfluss geltend zu machen, um möglichst rasch ...«
    »Der Kaiser ist ein Heuchler«, fiel Carafa ihm ins Wort. »In den spanischen Niederlanden, wo er die meiste Zeit residiert, verwehrt er der Inquisition den Zutritt, um zugleich für Portugal ihre Einsetzung zu verlangen.«
    »Meine Brüder in Antwerpen sind sich dieses Zwiespalts bewusst«, stimmte Cornelius zu, »und wir leiden darunter wie Ihr. Tatsächlich weiß man nie, wo Karls Glaube aufhört und seine Geldgier beginnt. Doch möchte ich zu bedenken geben, dass die mangelnde seelische Lauterkeit des Kaisers nichts an der Richtigkeit seines Ansinnens ändert.«
    »Gewiss, auch Narrenmund tut bisweilen Weisheit kund. Allein, der Wankelmut des Kaisers spiegelt sich wider im Wankelmut seiner Vasallen. Der portugiesische König zeigt sich der Vorstellung eines Glaubensgerichts wenig empfänglich, obwohl in seinem Reich größte Glaubensnot herrscht, vor allem in Lissabon.« »Ihr meint das Treiben der Marranen?«
    »Allerdings. Dabei sollte Dom Jono eigentlich wissen, dass auch ein König sich nicht gegen Gottes Willen stellen darf. Schon sein Vater wurde für die allzu große Nachsicht gegenüber den Juden mit dem Scheitern seiner Träume vom iberischen Großreich bestraft. Der Sohn ist kein bisschen besser. Ohne eine Hand zu rühren, sieht Dom Jono zu, wie das freche Judenvolk den heiligen katholischen Glauben beleidigt, vor seiner königlichen Nase! Obwohl sie die Gnade der Taufe empfangen haben, praktizieren sie nach wie vor ihre
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