Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gordum-Verschwörung

Die Gordum-Verschwörung

Titel: Die Gordum-Verschwörung
Autoren: Bernd Flessner
Vom Netzwerk:
rötliches und noch dazu lockiges Haar. Er trug ein bunt kariertes Baumwollhemd, Jeans, grüne Gummistiefel und Ringe an mehreren Fingern. Einer von ihnen war mit einem silbernen Triskell besetzt, ein anderer trug eine ebenfalls silberne Blüte, vielleicht eine Lilie. Auch seine Ohrringe waren aus Silber.
    „Harm Claasen, geboren am 3.4.1956 in Greetsiel, wohnhaft auf diesem umgebauten Kutter, von Beruf Schiffsumrüster“, referierte Häring.
    „Ich weiß“, nickte Greven.
    „Du kennst den Toten?“, fragte Häring, der erst jetzt Blickkontakt mit seinem Vorgesetzten aufnahm.
    „Ja, ich kenne ..., ich meine natürlich, ich kannte ihn. Wir sind zusammen zur Schule gegangen.“
    „Ja, dann ... vielleicht ...?“
    „Todeszeit?“
    „Äh ... gestern Abend, etwa zwischen 21 und 24 Uhr, schätzt Möller. Aber der ist schon wieder weg. Er hat versprochen, uns seinen Bericht so schnell wie möglich zu schicken.“
    „Zeugen?“
    „Im Moment noch keine. Gefunden hat ihn übrigens der Hafenmeister. Heute früh auf seinem Rundgang.“
    „Tatwaffe?“
    „Ein stumpfer Gegenstand, vermutet Möller, wahrscheinlich aus Metall. Gefunden haben wir ihn allerdings noch nicht. Vielleicht hat ihn der Täter über Bord geworfen. Die Taucher habe ich übrigens schon angefordert.“
    „Gut“, nickte Greven, ohne Häring anzusehen, machte ein paar Schritte um den Toten, kniete vorsichtig nieder, strich ihm die Haare aus dem Gesicht, das zu seinem Erstaunen das eines Schlafenden war. Er hatte schon andere Gesichter von Toten gesehen. Häring half ihm wieder auf die Beine. Nach einem letzten Blick auf den leblosen Körper ging er unter Deck.
    Harm Claasen hatte den Bauch des kleinen Kutters, der ursprünglich Netzen, Krabben und Fischen vorbehalten war, in ein maritimes Wohn-, Arbeits- und Schlafzimmer verwandelt. Kajüte wäre in diesem Fall einfach das falsche Wort gewesen. So klein der Raum auch war, dem nun toten Schiffsumrüster war es gelungen, die Atmosphäre einer alten friesischen Bauernkate unter Deck zu installieren. Die Bordwände waren mit Holz verkleidet, mit dem Holz von Teekisten, wie Greven bemerkte. Ein altes, aber intaktes Sofa mit rotem Samt war in der Mitte des Raumes auf dem Boden verschraubt, davor ein kleiner Teetisch, ein Hörnstuhl, Regale, die der Form des Rumpfes folgten und Bücher, Schallplatten, verschiedene Kistchen und Schachteln enthielten, durch Leisten gegen das Herausfallen bei Seegang gesichert. Poliertes Messing und eigenwillige Schnitzereien, wohin man sah. Ein bisschen zu viel, fand Greven. Im Bug, in einen Schrank eingebaut, ein Verstärker und ein Plattenspieler, die Boxen rechts und links an der Decke. Kein CD-Player, kein Fernseher. In einem kunstvoll geschnitzten Halter hing eine weiße Fender Stratocaster, ein Plektron zwischen die Saiten geklemmt, das Kabel führte zu einem kleinen Kofferverstärker. Fender Twin Reverb.
    Hinter dem Sofa, das rechts und links nur wenig Platz zum Passieren ließ, eine kleine Kombüse, schräg gegenüber: eine Koje, der Vorhang war geöffnet, Kleider lagen auf dem zerwühlten Bettzeug, Hemden und Unterwäsche auf dem Boden.
    Greven ging mit den Augen durch die Welt des Toten, die ohne jeden Zweifel durchsucht worden war. Hier war eine Dose geöffnet und ausgekippt, dort eine Schublade herausgezogen. Einige der Karten lagen auf dem Boden, ebenso mehrere Bücher. Auf dem kleinen Teetisch stand eine geöffnete, leere Metallkassette, deren grüne Hammerschlagfarbe an mehreren Stellen abgeblättert war, der Schlüssel steckte. Blaue Pullover und Jeans waren aus dem schmalen Spind geräumt worden.
    „Ein Raubmord“, schlug Häring, der auf der schmalen Treppe stehen geblieben war, vorsichtig vor. „Claasen hat den oder die Täter überrascht und wurde von ihnen erschlagen. Hast du die Kassette gesehen? Wahrscheinlich hatte Claasen den Schlüssel bei sich. Sie haben seine Taschen durchsucht, ihn gefunden und die Kassette geöffnet.“
    „Ich bin im Hafenkieker “, antwortete Greven, „bis Hansen und seine Leute hier mit allem fertig sind. Sie sollen mehr Fotos machen als sonst und sich mit den Fingerabdrücken mehr Mühe geben als beim letzten Mal. Du weißt schon. Ach ja, und die Leiche kann natürlich auch abgeholt werden.“
    Greven folgte Häring die Treppe hinauf, klopfte ihm auf die Schulter, verließ den Kutter und ging zu Fuß auf dem Deich zum Hafenkieker , einem kleinen Lokal unmittelbar an der Hafenmauer. Es hatte trotz der frühen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher