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Die Götter von Freistatt

Die Götter von Freistatt

Titel: Die Götter von Freistatt
Autoren: Robert Asprin
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im Sklavenpferch, der Junge mit vor Entsetzen aufgerissenen Augen, weil ein Soldat sah, was ihm angetan worden war. Kein Schimmer der Freude erhellte das hagere Kindergesicht, die Arme streckten sich nicht nach dem Retter aus. Ein kleiner beraubter Held schlurfte über besudeltes Stroh auf Tempus zu, und die Sklavenaugen betrachteten ihn furchtlos abschätzend, um zu ergründen, was er von diesem Mann zu erwarten hatte, der einst zu den geschätztesten Kriegern seines Vaters gehört hatte, doch nun nur ein weiterer rankanischer Feind war. Tempus erinnerte sich, wie er das Kind auf die Arme gehoben und entsetzt festgestellt hatte, wie leicht es war und wie die Knochen durch die Haut stachen; und an den Augenblick, als Abarsis endlich geglaubt hatte, daß er in Sicherheit war. Und wie der Junge ihn unter Tränen angefleht hatte, ihm zu schwören, sein Geheimnis zu bewahren. Je weniger über den Rest gesagt wurde, desto besser. Er hatte für den Jungen Pflegeeltern im felsigen Westen bei den Meerestempeln gefunden, wo Tempus geboren war, und wo die Götter immer noch hin und wieder Wunder vollbrachten. Er hatte irgendwie gehofft, die Götter würden heilen, was die Liebe allein nicht vermochte. Nun hatten sie es getan.
    Er nickte, nachdem er die Erinnerung wie Gift überwunden hatte, und blickte auf das niederbrennende Feuer. Dann, um der Seele Abarsis’ willen, den man Stiefsohn genannt hatte, und weil sein Fleisch es so wollte, warf Tempus sich vor Vashanka nieder und trat so erneut in den Dienst des Gottes.
10
    Hanse hatte auf einem Sims unterhalb versteckt gelauscht und so auf seine Weise an der Bestattung teilgenommen. Doch als ihm klar wurde, was er da hörte, drückte er die Fersen in die Weichen des Pferdes und trieb es an, als wäre der Gott selbst, dessen donnernde Stimme er vernommen hatte, hinter ihm her.
    Er hielt nicht an, bis er das Wilde Einhorn erreicht hatte. Dort flog er fast vom Pferd, befahl ihm mit leiser Zischstimme, nach Hause zu laufen, versetzte dem Tier einen Klatsch, und schlüpfte durch die Schenkentür mit einer Erleichterung, wie sie sein Lieblingsmesser empfinden mußte, wenn er es in die Scheide steckte.
    »Eindaumen!« rief Hanse schon auf dem Weg zum Schanktisch. »Was ist denn da draußen los?« Am Bürgertor hatte es von Soldaten nur so gewimmelt.
    »Hast du es denn nicht gehört?« fragte der zum Tagwirt gewordene Nachtwirt spöttisch. »Einige Gefangene konnten aus dem Palastverlies entkommen, aus dem Gerichtssaal wurden bestimmte Dinge gestohlen, und keiner der für die Sicherheit verantwortlichen Offiziere war in der Nähe gewesen.«
    Hanse schaute in den Spiegel hinter dem Schanktisch. Er sah, daß der häßliche Mann freudlos grinste. Blick maß sich mit Spiegelblick. Hanse holte das in Fell gewickelte Bündel hervor. »Das ist für dich. Du sollst es deiner Wohltäterin geben.« Schulterzuckend starrte er in den Spiegel.
    Eindaumen drehte sich um, wischte mit dem Putztuch über die glänzende Schanktischplatte, und mit dem Putztuch verschwand auch das kleine Bündel. »Ich verstehe nicht, daß du dich in so was verwickeln läßt! Versprichst du dir davon einen Aufstieg? Mach dir da keine falschen Hoffnungen. Und das nächste Mal, wenn du mit so was kommst, benutz den Hintereingang. Oder besser noch, laß dich überhaupt nicht sehen! Ich hatte dich wirklich für klüger gehalten!«
    Hanse schlug heftig mit der flachen Hand auf die Platte daß es klatschte. »Ich habe mir heute schon genug angehört, und jetzt sage ich dir, was du tun sollst, Fettwanst: Nimm, was ich dir gebracht habe, und dazu deinen weisen Rat, wickle beides gut zusammen und setz dich drauf!« Mit steifen Knien wie eine Katze, die sich aus dem Schlaf erhebt, ging Nachtschatten zur Tür. Über die Schulter brummte er: »Und ich habe dich für klüger gehalten!«
    »Ich muß schließlich an mein Geschäft denken«, rief der Wirt ihm etwas zu laut nach, als daß man es als Jammern hätte auslegen können.
    »Ah ja, genau wie ich, genau wie ich.«
11
    Lavendel- und zitronenfarbiges Morgenlicht putzte die weißgetünchte Kasernenmauer heraus und fiel auf den Paradeplatz außerhalb des Palasts.
    Tempus war die ganze Nacht in Jubals Landhaus beschäftigt gewesen, wo er seine Söldner fern der Stadt, der Höllenhunde und der ilsiger Garnisonssoldaten einquartierte. Fünfzig Mann hatte er hier, aber darunter waren zehn Paare von drei verschiedenen Heiligen Trupps: Stiefsohns Vermächtnis. Die zwanzig hatten die
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