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Die Götter von Freistatt

Die Götter von Freistatt

Titel: Die Götter von Freistatt
Autoren: Robert Asprin
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Gott, seid ihr wieder versöhnt? Stiefsohn hat mir alles darüber erzählt!«
    Mit Augen wie Flammen richtete der Mann sich auf und legte eine Hand in den Nacken. »Was willst du eigentlich, Nachtschatten? Ein Mann mit ein bißchen Achtung stößt über einem Toten keine Beleidigungen aus. Wenn du seinetwegen hier bist, ist es mir recht. Kamst du aber wegen mir, hast du dir die unrechte Zeit gewählt.«
    »Ich bin seinetwegen hier, Freund. Hast du dir vielleicht eingebildet, ich käme, um dich in deiner Trauer zu trösten, wenn er aus Liebe zu dir starb? Er bat mich«, fuhr Hanse fort, ohne abzusitzen, »dies für ihn zu besorgen. Er wollte sie dir geben.« Er griff nach den in Fell gewickelten Brillantnadeln, die er gestohlen hatte.
    »Halt ein und beherrsche deine Gefühle. Urteile über nichts, was du nicht verstehst. Was die Nadeln betrifft, Abarsis hat sich in meiner Absicht, was sie angeht getäuscht. Wenn du deinen ersten Söldnerauftrag zu Ende führen möchtest, dann bring sie Eindaumen. Sag ihm, sie seien für seine Wohltäterin. Damit wäre der Auftrag beendet. Einer des Heiligen Trupps wird dich bezahlen. Mach dir deshalb keine Gedanken. Und nun, wenn du Abarsis die letzte Ehre erweisen willst, sitz ab!« Der Kampf in Tempus’ Gesicht, aus dem sonst nie etwas Unbeabsichtigtes zu lesen war, war erschreckend. »Wenn nicht, dann begib dich fort, Freund, solange wir noch Freunde sind. Ich bin heute nicht in der Stimmung für lebende Jünglinge.«
    Also glitt Hanse von dem Pferd, stapfte zu dem Leichnam und flüsterte: »Komm mir nicht mit so etwas, Unheilsgesicht! Wenn es deinen Freunden so ergeht, verzichte ich auf diese Ehre.« Er zog das Leichentuch zurück. »Seine Augen sind ja offen!« Er streckte die Hand aus, um sie zu schließen.
    »Tu’s nicht! Laß ihn seinen Weg sehen!«
    Über die starrende Leiche hinweg funkelten sie einander an, während ein rotschwänziger Falke über ihnen kreiste und sein Schatten das bleiche tote Gesicht liebkoste.
    Dann kniete Hanse sich steif nieder, fischte eine Münze aus seinem Gürtel, schob sie zwischen Stiefsohns leicht geöffnete Lippen und murmelte etwas. Nunmehr erhob er sich, drehte sich um, schritt wortlos zu dem gestohlenen Pferd zurück, kletterte etwas unbeholfen in den Sattel und ritt ohne einen Blick zurück davon.
    Als Tempus den Scheiterhaufen errichtet und Abarsis’ letztes Lager darauf zubereitet hatte, bahrte er den Toten auf. Dann zündete er das trockene Holz an. Mit geballten Fäusten stellte er sich etwas abseits. In dem beißenden Rauch begannen seine Augen zu tränen, vielleicht auch nicht nur davon. Durch den Schleier vor den Augen sah er den Vater des Jungen in seinem Streitwagen kämpfen mit dem toten Wagenlenker vor seinen Füßen. Das war damals gewesen, als Tempus einem der Feinde des Königs den Arm abgeschlagen hatte, um den Freund vor der herbeischwingenden Axt zu retten. Er sah dieses Hexenweib, das der König zur Frau genommen hatte in den Schwarzen Bergen, um sich zu verbünden mit dem, was nicht zu bezwingen war. Er sah auch die Folgen, als die Frucht der wilden Frau ihren Leib verlassen hatte und jeder getreue General sich an ihrem Mord beteiligte, ehe sie ihren Feldherrn auf die Bahre bringen konnte. Er sah den Jungen, hexenhaarig und weise, wie er zu Tempus’ Streitwagen lief, um mitfahren zu dürfen, wie er dem väterlichen Freund lachend die Arme um den Hals schlang und ihn in der Art der nordischen Jungen ohne Verlegenheit küßte. All das geschah, bevor der Große König seine Armeen auflöste und nach Hause zurückkehrte, um in Frieden zu leben, während Tempus südwärts nach Ranke ritt, in ein Reich, das noch auf wackligen Kinderfüßen stand. Und Tempus sah das Schlachtfeld, auf dem er erfolgreich gegen die Truppen eines Monarchen kämpfte, der einst sein Lehnsherr gewesen war: Herren wechselten. Er war nicht dabei gewesen, als man den Großen König besiegte, ihn aus seinem Streitwagen zerrte, und als die endlose Schlächterei begann, die zeigte, welche unübertroffenen Barbaren die Rankaner waren. Jene, die dabei gewesen waren, erzählten später, daß er alles mit Haltung erduldet hatte, bis man seinen Sohn vor seinen eigenen Augen kastrierte und einem Sklavenhändler übergab ... Als Tempus davon erfuhr, war er sofort aufgebrochen, die gebrandschatzten Städte abzusuchen, in denen die Rankaner Greuel sondergleichen begingen, deren Kunde Widerstand besser unterdrückte als die spitzesten Lanzen. Und er sah Abarsis
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