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Die Götter von Freistatt

Die Götter von Freistatt

Titel: Die Götter von Freistatt
Autoren: Robert Asprin
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Schritt größer.
    Doch daran dachte er nicht, genausowenig wie an den Tod, denn mit der Möglichkeit, daß er ausgleiten konnte, befaßte er sich nicht.
    Ein großer Krieger war er nicht. Bogenschützen gab es viele, die genausogut schossen oder besser. Als junger Mann aber war er vollkommen: schlank, drahtig und stark. Er war ein äußerst fähiger Einbrecher und Dieb in einer Stadt, die man nach den Dieben benannte, kein einfacher Taschendieb. Und als Einbrecher war er ein ausgezeichneter Kletterer, wie es keinen besseren und vermutlich nicht einmal einen gab, der an ihn herankam. Er war auch sehr geschickt darin, durch hochliegende Fenster zu schlüpfen.
    Seine Kleidung, seine Farbe waren für die Nacht und die Schatten gemacht. Sie waren alte Freunde, er und die Schatten.
    Er glitt nicht aus. Er kam höher. Er stemmte sich auf die breite Mauer des Statthalterpalasts von Freistatt. Sicher zog er sich durch eine der Lücken zwischen den Zinnen. Und er war zu Hause - in den Schatten.
    Nun blickte er auf den Palast selbst, den Palast des goldenen Prinzen, der von Ranke geschickt worden war, um über Freistatt zu regieren (oder so zu tun). Der Dieb lächelte, doch mit geschlossenen Lippen. Hier gab es Tiger in Gestalt von Wachen, und junge Zähne würden selbst in diesem schwachen Mondlicht blitzen. Diese Vorsicht bezeugte nur einen winzigen Teil seines Könnens.
    Er war noch erstaunlich jung, aber niemand wußte sicher, ob er neunzehn, zwanzig oder ein wenig darüber war. Nein, niemand in dieser verrufenen Stadt, die die Rankaner, die Eroberer, Diebeswelt nannten, wußte es mit Sicherheit.
    Seine Mutter wußte es vermutlich - bestimmt nicht sein Vater, den er gar nicht und sie nur beiläufig gekannt hatte, denn dieser Dieb war ein Bastard von Geburt, und sehr häufig benahm er sich auch wie einer -, aber wer wußte, wer oder wo seine Mutter war?
    Unterhalb der Mauer lagen Nebengebäude und ein Hof von der Größe einer Durchgangsstraße oder dem Marktplatz einer kleinen Ortschaft, und Wachen gab es dort. Auf der anderen Seite erhob sich der Palast. Wie der Dieb war auch er ein Schatten, aber ein weit beeindruckenderer.
    Der Dieb war schon einmal dort eingebrochen. Oder vielmehr, er hatte heimlich Zugang gefunden, denn jenes andere Mal hatte er Hilfe gehabt: Ein Tor war für ihn unverschlossen und eine Tür einen Spalt offen geblieben.
    Auf diese Weise hineinzugelangen, war viel leichter und seiner jetzigen Art vorzuziehen. Doch zu jener Zeit hatte sein Auftraggeber vorgehabt, den Prinz-Statthalter öffentlich in Verlegenheit zu bringen und seinen Sturz zu bewirken, der Dieb jedoch nicht.
    Prinz Kadakithis war auch keineswegs ein Feind dieses jungen Mannes, der in den Schatten des falschen Stadtviertels das Licht der Welt erblickt hatte. Der Dieb hatte dem rankanischen Prinzen zwei beachtliche Dienste erwiesen. Dafür war er belohnt worden, wenn auch nicht so fürstlich, daß er den Rest seines Lebens ausgesorgt hätte.
    Nun, in dieser Nacht des winzigsten Mondes, stand er auf der Mauer und holte seine Schnur unter sich ein. Sie blieb weiterhin straff gespannt, daran mußte er glauben. Denn tat sie es nicht, würde er unten zerquetscht werden wie ein hinuntergefallener Granatapfel.
    Er zog an der Schnur, wappnete sich, schluckte schwer, und stieß sich von der Wand ab ins Leere. Lediglich sein Magen sank zwei Stockwerke tiefer, er selbst glücklicherweise nicht. Seine gestiefelten und weich gepolsterten Füße schlugen gegen eine Wand aus gelbbraunem, gehauenem Stein. Der Aufprall war kein Vergnügen, und er mußte einen Schmerzenslaut unterdrücken.
    Dann kletterte er hoch.
    »Hast du das auch gehört, Frax?« Eine Stimme wie ein pferdegezogener Schlitten, der über harten Boden schleift, nicht über Stein oder Sand, sondern festgetretene, trockene Erde.
    »Mmm? Hm? Huh? Was?« erklang eine tiefere Stimme.
    »Ich fragte: Frax, hast du das auch gehört?«
    Schweigen. (Der Dieb verhielt sich völlig still, Hände, Unterarme und Oberkörper auf dem Palast, der Rest nach unten hängend.)
    »Mhm. Ich hab’ was gehört, Purter. Ich hab’ gehört, wie sie gesagt hat: >O Frax, du bist wundervoll! Du bist der Beste! Und jetzt lutsch mal eine Weile an dieser, Liebling. < Und dann hast du mich aufgeweckt, du Hund!«
    »Wir sollen Wache halten, nicht schlafen, Frax, verdammt! Wer war sie?«
    »Sag’ ich dir nicht. Nein, ich hab’ nichts gehört. Was wär’ schon zu hören? Eine Armee Abwinder, die die verfluchte Mauer
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