Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Götter von Freistatt

Die Götter von Freistatt

Titel: Die Götter von Freistatt
Autoren: Robert Asprin
Vom Netzwerk:
stürmen? Jemand, der auf einer Eule fliegt?«
    »Huh!« Purters Stimme verriet einen Schauder. »Sag so was nicht. Es ist so schon dunkel und gespenstisch genug heute nacht.«
    »Abergläubischer Hund!« tadelte Frax und legte den Kopf wieder auf die angezogenen Knie.
    Während ihrer Unterhaltung hatte der Dieb sich ganz hochgezogen. Er verursachte so gut wie kein Geräusch, doch selbst wenn er mit den Fingern geschnippt hätte, würden die Dummköpfe es nicht gehört haben. Er wand sich durch eine weitere Lücke zwischen den Zinnen und auf den Wehrgang, der etwas unterhalb der Zwiebelkuppe, aber höher als die Außenmauer, rund um den Palast führte. Die Wachen, die etwas hören, brabbeln hier nur, dachte der Dieb verächtlich. Er schüttelte den Kopf. Er könnte diese verweichlichten »Soldaten« etwas über Sicherheitsvorkehrungen lehren. In einer Stadt wie dieser verstand ein Zivilist davon weit mehr. Erstens einmal, wenn man auf Wachdienst etwas hörte, verhielt man sich völlig still und lauschte. Dann verursachte man ein leises Geräusch, um Sorglosigkeit vorzutäuschen und den vermuteten Eindringling in Sicherheit zu wiegen und dazu zu bringen, sich zu verraten.
    Wie der Schatten eines Schatten huschte er den Wehrgang entlang, zwischen der sanften Biegung der Kuppe und den Zinnen. Nach einunddreißig Schritten vernahm er das Scharren von Stiefelsohlen und das leichte Schleifen eines nachgezogenen Lanzenschafts eines sorglosen Wächters. Er ließ sich lautlos auf den Boden fallen und drückte sich so dicht wie nur möglich an die Außenwand des Wehrgangs. Völlig ruhig lag er da, ein Schatten im Schatten.
    Eine Spinne wanderte über seine Schulter, über die Wange zu dem schwarzen Wuschelhaar, und blieb ungestört. Sie spürte Wärme, doch keine Bewegung, nicht das leiseste Zucken. (Hätten Verwünschungen etwas vermocht, würde sie allerdings bereits nicht mehr leben.)
    Den Lanzenschaft hinter sich herziehend, schlurfte der Wächter vorbei. Blind und taub, dachte der Dieb. Wie zuvorkommend von den Wächtern, Geräusche zu machen, statt sich still zu verhalten und zu lauschen!
    Da der Wächter nach links weiterstapfte, huschte der Dieb nach rechts, nordwestwärts. Er trug ein Band aus Leder und Kupfer um seinen rechten Oberarm und ein breiteres Schutzband aus schwarzem Leder um das Handgelenk desselben Arms. In jedem steckte ein scharfes Wurfmesser mit einer blattförmigen Klinge von stumpfem Blauschwarz. Ein weiteres verbarg sich im Schaft seines linken Halbstiefels, wo Scheide und Griff Verzierungen vortäuschten. Andere Waffen trug er nicht, jedenfalls keine sichtbaren, und ganz sicher weder Schwert noch Axt, und der Bogen lag am Fuß der Getreidespeichermauer.
    Er blieb stehen, stieg in eine etwas über zwei Fuß tiefe Zinnenlücke, und spähte in die Dunkelheit. Ja. Da war das Türmchen des Tempels der heiligen immerwährenden Jungfrau Allestina, armes Ding. Es war der erste der Orientierungspunkte, die er am Nachmittag so sorgfältig ausgewählt hatte.’
    Der Dieb beabsichtigte nicht, aufs Geratewohl durch irgendein Fenster in den Palast einzusteigen. Er wußte genau, durch welches er eindringen würde.
    Schnur und Pfeil zurückzuholen, war weit schwieriger als erwartet. Er unterdrückte seine Verwünschungen. Knüpfte man einen Strick zehnmal fest und verließ sich darauf, löste das verfluchte Ding sich möglicherweise. Schoß man einen Pfeil, um eine Schnur, dünner als der kleine Finger, um eine verdammte vergoldete Messingfahnenstange zu wickeln, mußte man sich plagen, das verflixte Ding freizukriegen!
    Innerhalb von vier bis sechs Minuten (begleitet von lautlosen Flüchen) hatte er durch vorsichtiges Schütteln der Schnur, durch abwechselndes Ziehen und Lockerlassen, den Pfeil endlich dazu gebracht, seine liebevolle Umarmung der Fahnenspitze zu lösen. Mit flatternder Schnur stürzte der Pfeil herunter. Mit einem Klappern, das für den Dieb im Schatten wie Donner an einem wolkenlosen Tag klang, fiel er.
    Die schläfrigen Wachen hörten jedoch keinen Donner. Nur der Dieb vernahm ihn. Er zog Schnur und Pfeil ein. Geduckt griff er in seinen enganliegenden Rückenbeutel und holte zwei Hartholzzylinder heraus, die mit schwarzem Tuch umwickelt waren. Um sie rollte er seine Schnur, nachdem er den Pfeil losgebunden hatte. Eine Weile lauschte er still. Eine Fliege summte ruhelos und laut. Der Dieb hörte jedoch nichts, was angezeigt hätte, daß jemand aufmerksam geworden wäre und Verdacht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher