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Die Götter von Freistatt

Die Götter von Freistatt

Titel: Die Götter von Freistatt
Autoren: Robert Asprin
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schöpfte.
    Er richtete sich auf und huschte weiter - den Wehrgang um den Palast entlang, zwischen Kuppel und Zinnenzähnen.
    Mit der Geschmeidigkeit einer Katze, die jeder Beobachter unheimlich gefunden hätte, erreichte er seinen zweiten Orientierungspunkt. Eingerahmt von zwei Zinnen konnte er ihn weit in der Ferne sehen: die purpurschwarze Form des Julavainberges. Wieder lächelte er mit zusammengekniffenen Lippen.
    Eine Zinne wurde zur Winde mit Hilfe der zwei Holzzylinder, die er zu diesem Zweck mitgebracht hatte. Sie würden die Seidenschnur abrollen und verhindern, daß der Stein sie zerfaserte. Ein Ende band er sich um die Fußgelenke. Er erstarrte, als der Wächter wieder vorbeikam; noch müder zog er den Lanzenschaft hinter sich her, offenbar gab er sich gar keine Mühe mehr, sich wach zu halten.
    Und dann war die Stille so dicht, daß man sie mit einem Messer, an denen der Dieb keinen Mangel hatte, hätte durchschneiden können. Er wartete. Und wartete.
    Endlich stieg er, immer noch geduckt, in die Zinnenlücke. Rückwärts wand er sich hindurch und ließ sich an der Wand hinunter, tiefer und tiefer, bis er zu einem bestimmten Fenster in Rautenform gelangte. Es sah nicht nur schön aus, es machte auch einen Einstieg schwieriger.
    Mit größter Vorsicht drehte er sich um, ließ sich noch ein Stück tiefer herab, bis er verkehrt herum vor dem Fenster hing. Das Blut stieg ihm in den Kopf, während er Muskeln und Blick anstrengte, bis er sicher war, daß niemand sich in dem Gemach befand, in das er spähte.
    Grinsend rollte Hanse, der Dieb, sich herum und stieg lautlos ins Schlafgemach Kadakithis’, Seiner Rankanischen Hoheit, Prinz-Statthalter von Freistatt, ein.
    Er hatte es wieder einmal geschafft! Und diesmal allein, ohne Hilfe. Er hatte die Mauer bezwungen, war den Wächtern entgangen, in den Palast eingedrungen und befand sich im Schlafgemach des Prinz-Statthalters höchstpersönlich.
    Nun, Lord Prinz, Ihr wolltet Nachtschatten sehen - hier ist er. Er wartet auf Euch! Das waren seine Gedanken, wärend er seine Fußgelenke von der teuren Seidenschnur befreite und seine Handschuhe auszog. Wenigstens wartet diesmal keine Bettgespielin auf ihren jugendlichen Herrn.
    In seinem freudigen Stolz hätte Hanse am liebsten laut gelacht.
    »Ein hübsches Mädchen hat dies für dich abgegeben, Hanse«, hatte Mondblume, die Seherin, zu ihm gesagt. »Sie hat es von einer andereren zusammen mit einer Münze als Botenlohn bekommen, und diese hat es wieder von einer anderen.«
    Hanse hob die dunklen Brauen, hakte einen Daumen in den Pferdeledergürtel, den er über eine knallrote Schärpe geschnallt trug. Von dem Gürtel hing an einer Seite ein Krummdolch und an der anderen ein Ilbarsi-Messer, so lang wie sein ganzer Arm.
    »Das hast du gesehen, Mondblume?«
    Sie lächelte, eine unendlich fette Frau, deren Name so gar nicht zu ihrem Aussehen paßte, und deren Gesäß über die beiden Kissen auf dem niedrigen Hocker quoll. Für sie war er ein jungenhafter Bursche, und schon immer hatte er es fertiggebracht, sich mit seinem Charme, den sie nahezu als einzige erkannte, bei ihr einzuschmeicheln.
    »O nein«, antwortete sie fast schelmisch. »Soviel Mühe brauchte ich mir gar nicht zu machen. Ich erfahre auch so allerhand, weißt du?«
    »Oh, ich weiß, daß du viel weißt, mein schlauer Liebling«, versicherte er der unförmigen Gestalt in ihren vielen Lagen von Röcken, jeder von mehr als einer anderen Farbe. »Und diesmal wirst du mir verraten, woher du weißt, was du weißt, das weiß ich.«
    Sie warf ihm eine wachsversiegelte Walnußhülle zu. »Du kennst mich zu gut, nicht wahr, du schlauer Fuchs. Riech mal!«
    Wieder hob er die fast zusammengewachsenen Brauen und hielt die Nuß an die Nase. Er rollte die Augen. »Aha! Parfüm! Ein sehr teures. Die Zeiten sind also gut für die einzige wahre Magierin von Freistatt.«
    »Du weißt genau, daß das nicht mein Parfüm ist!« rügte sie ihn, nicht ohne den Kopf mit den blauschwarzen Zöpfen zu einem, schelmischen Blick schief zu legen.
    »Jetzt weiß ich es«, sagte Nachtschatten verschmitzt und sah sehr nett aus im hellen Sonnenschein. »Weil du es mir gesagt hast. Du hast die Wal nuß also von einem reichen Mädchen, das teures Parfüm benutzt. Ich nehme an, sie trug dieses hübsche Stück zwischen den Brüsten.«
    Mondblume hob einen ihrer fleischigen Finger. »Ah, so ganz hast du es noch nicht. Das Parfüm an der Walnuß ist nicht meines, aber das Mädchen, das sie mir
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