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Die Godin

Die Godin

Titel: Die Godin
Autoren: Robert Hueltner
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hechtete aus seiner Deckung, preßte seinen Rücken an die Hauswand und schob sich langsam, die Pistole nach oben gerichtet, dem rettenden Hauseck zu. Er grinste triumphierend, als wiederum Schüsse neben ihm einschlugen, ihn aber nicht mehr treffen konnten. Bald hatte er den rettenden Mauervorsprung erreicht und befand sich nun in einer lichtlosen, schmalen Gasse zwischen Haus und Scheune. Gebückt lief er in die Richtung, in der er den Waldrand vermutete. Er konnte sich gerade noch abfangen, um nicht in den tiefer liegenden Kanal des gurgelnden Mühlbachs zu stürzen. Er drehte sich verzweifelt um. Ein Zurück gab es nicht mehr. Der Unbekannte würde längst die Position gewechselt haben und jetzt nur darauf warten, bis er die Gasse wieder verlassen hätte. Verzweifelt suchte Urban nach einer Möglichkeit, den Bach zu überqueren. Auf der rechten Seite sog sich der reißende Wasserlauf mit donnerndem Dröhnen durch einen breiten Spalt aus feuchtem, glattgeschliffenem Fels, links hing das Mühlrad über einem schwarzen, unergründlich tiefen Gumpen.
    Dann entdeckte er den Ausweg. Ein schmaler Mauergrat, einige Meter über dem Wasser, führte entlang der fensterlosen Hauswand zu einer winzigen Luke, durch die man unbemerkt in das Haus eindringen, hinter den Rücken des Unbekannten gelangen und ihn rücklings erledigen könnte. Damit wäre der letzte Mitwisser ausgeschaltet! Wer war es eigentlich? Gar die Alte, die früher mit ihrem Mann die Mühle betrieb? Dann würde er ein doppelt leichtes Spiel haben. Nie hätte er sich vorstellen können, daß es der alte Gendarm oder gar der Landthaler waren, die ihn zu erpressen versuchten. Beide steckten sie zu tief in der Sache, als daß sie noch wagten, gegen ihn vorzugehen und damit ihre eigene Existenz zu vernichten.
    Eine diebische Freude erfüllte Urban. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und betrat den handbreiten Sims. Meter für Meter hangelte er sich an der bemoosten Hausmauer entlang. Sorgsam sicherte er seine Schritte. Endlich hatte er die Luke erreicht. Der verwitterte Laden ließ sich mit leichtem Druck aufschieben. Urban griff durch die Leibung, zog sich an der Mauerkante nach oben und kroch durch die Öffnung.
    Er befand sich in einem pechdunklen Raum und begann sich vorwärts zu tasten. Er griff an ein Gestänge; mit jähem Ekel zog er seine Hand zurück, als er in eine dicke Schicht körnig durchsetzten Fettes griff. Er tappte weiter und fühlte kühles Eisen, ertastete ein fast mannsgroßes Rad mit hölzernen Zähnen, ein Gespinst steifer, offenbar den Raum in alle Richtungen durchlaufender Lederbänder, dann wieder kleinere, waagrechte Umsetzräder und querliegende, mächtige stählerne Holme. Urban versuchte, gebückt durch zwei waagrechte Achsen hindurchzusteigen. Er kam auf einer fettgetränkten, schrägliegenden Achsenhalterung auf, rutschte aus, griff blind in die armdicken Speichen eines Zahnrades und versuchte sich daran hochzuziehen. Als er schließlich wieder stand, stellte er fest, daß ein zweites, riesiges Rad ihm den Durchgang versperrte. Er kroch zurück, tastete nach einer anderen Stelle und drang wieder in das stählerne Gewirr ein. Er unterdrückte einen unbeherrschten Laut; die Enge machte ihn maßlos wütend. Sie erinnerte ihn plötzlich daran, mit welch auswegsloser Verzweiflung er mit ansehen mußte, wie in dieser Nacht vor zwanzig Jahren, auf die dieses fürchterliche Unwetter folgen sollte, der verhaßte Fuhrknecht Eglinger in bräsiger Zufriedenheit, fischig nach Schweiß und Samen stinkend, aus der Kammer eines Mädchens kam - jenes Mädchens, das er und nur er, Urban, wirklich liebte. Als er sich ihm in hilfloser, kindlich heulender Wut entgegenstellen wollte, hatte ihn der Fuhrknecht mit rohen Worten gedemütigt.
    Ein starrer Stab drückte auf seine Schultern, als er wieder versuchte, die Enge zwischen einer Steinsäule und dem großen Rad zu überwinden. Er blieb stecken. Sein Mund füllte sich mit Speichel, er atmete hechelnd. Eine betäubende Wut bäumte sich in ihm auf. Er preßte seinen Körper wie ein Wahnsinniger in die Enge.
    Er hörte nicht, wie sich das Rauschen des Wasserlaufs veränderte. Für einige Sekunden klang es, als würde der Bach hinter einer Schleuse gestaut.
    »Wer ist da?!« rief Kajetan. Er hatte ein Geräusch gehört. Wachtmeister Kaneder trat hinter dem Mauervorsprung hervor, von dem aus er das Gespräch verfolgt hatte.
    »Respekt«, brummte er, und seiner Stimme war tatsächlich so etwas wie
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