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Die Godin

Die Godin

Titel: Die Godin
Autoren: Robert Hueltner
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nicht aufgepaßt hab. Da hats wieder einen Kämbden rausgeschlagen und weil ich nicht gleich die Wasserbühne hochdrehen hab können, hats gleich noch ein paar weitere abgerissen. Aber bis mir der Irgl die wieder gerichtet hat, sind die Bauern längst zum Hofmüller gegangen, und ich habs sein lassen müssen.
    Sie haben ihn im Krankenhaus zwar wieder hergerichtet, aber danach ist er nicht mehr derselbe gewesen. Die Schmerzen haben ihn Tag und Nacht geplagt, und er ist immer böser geworden. Nur noch geflucht und angeschrien hat er mich, und ich bin ganz desparat geworden, weil ich nicht ausgekonnt hab. Er ist doch zuvor ein guter Mann gewesen. Ich hab ihn ja noch immer gern gehabt. Aber er ist bloß noch ein einziger Schmerz gewesen, ein einziger Zorn. Und da heißt es auf einmal: Die Vroni hat sich was angetan, das Madl von der Vroni braucht ein Daheim, die Godin muß her, wer ist ihre Godin. Ich bin ihre Godin, sag ich. Der Doktor hat mich zur Seiten genommen und hat gesagt: Müllnerin, sinds vernünftig. Gebens das Kind weiter. Was hats denn bei Ihnen, wo der Mann doch so schlecht beieinander ist? Und außerdem: Da in Sarzhofen wirds ihr Lebtag bloß hören, daß ihr Vater ein Zuchthäusler und die Mutter eine Narrische ist. Er tat eine anständige Familie kennen, dort könnt sie hin. Nein, sag ich, ich bin die Godin, und ich hab sie genommen. Wie das Butzerl in die Mühl kommt, plärrt der Hans grad wieder so dermaßen, daß es gleich unter die Bank gekrochen ist vor lauter Fürchten. Es ist einen Tag gegangen, dann bin ich hin zum Doktor und hab gesagt, ich möchte mir die Familie anschauen, die das Kind aufnehmen tat. Die sind dann auch bald da gewesen, und sie haben mir schön getan. So hab ich das Kind ziehen lassen.«
    Sie sah ihn fragend an. Er wich ihrem Blick aus. »Aber später? Hast dann nie mehr nachgeschaut, wie es ihr geht?«
    Ein leichter Ärger klang aus ihrer Stimme, als sie weitersprach. »Die haben in Straubing oben gewohnt, in einem recht noblen Haus. Ich bin hingefahren, so oft ich gekonnt hab. Bis mich die Madam einmal zur Seite nimmt und sagt, daß es nicht gut war für die Kleine. Besser, sie tat nicht so genau wissen, woher sie sei, und außerdem hätten sie die Adoption schon eingeleitet. >Geht das so einfach?< frag ich sie. >Ja<, sagts, >das geht.< Von da an hab ich bloß noch von der Weiten geschaut. Ich hab schon ein richtiges Versteck gehabt und hab gesehen, wie lieb sie daherwächst. Es ist dann schon nimmer bloß wegen der Godschaft gewesen, ein Kümmern hätts da eigentlich gar nimmer gebraucht. Aber es hat mir so gut getan, hin und wieder fortzukommen, und wenn ich diesen Grund nicht gehabt hätt, dann hätt ich es mir gar nicht zugestanden, daß ich den Hans einmal allein laß. Da hätten die Leut gleich dumm geredet.«
    Sie schaute verschmitzt. »Aber es hat mich auch gefreut, daß es die Mia so gut erwischt hat. Einmal, da hab ich nicht aufgepaßt, da steht sie plötzlich vor mir, sagt brav >Grüß Gott< - und erkennt mich nimmer! Dann hat auch schon der Krieg angefangen, und ich hab nicht mehr fortgekonnt. Wie ich noch einmal hin wollt, hat jemand anderes dort gewohnt, und keiner hat mir sagen können, wo die Familie hingezogen ist. Ins Fränkische, hat einer gemeint, nein, auf München, ein anderer.«
    Kajetan nickte. »Absolution, Müllnerin.«
    Sie streifte ihn mit einem eigenartigen Blick, neigte leicht den Kopf zur Seite, als lausche sie einem Geräusch. Dann sah sie ihm wieder ins Gesicht.
    »Du weißt schon, wie es weitergeht?«
    Er nickte zögernd. »So ungefähr…«
    Als ihm der Pfarrer die Nachricht vom Tod seiner Frau überbrachte, mußte Marti aufgewacht sein. War es der Gedanke an seine Tochter, die er nun allein und schutzlos wähnte, oder war es eine unbestimmte Ahnung, daß irgend etwas nicht stimmte - er nahm nach langen Jahren wieder Kontakt zur Müllerin auf. Sie war der einzige Mensch, dem er Vertrauen schenkte. Sie hatte Angst vor diesem Zusammentreffen gehabt und erschrak zutiefst, als sie ihm gegenübersaß. Sie erkannte das eingefallene Wesen, das einmal der junge Marti gewesen war, nicht mehr. »Marie«, hatte er sie angefleht, »schau mir nach, was mit der Mia ist.«
    »Was wird sein«, sagte die Müllerin, »es geht ihr bestimmt gut. Ob sie dich nach so langer Zeit überhaupt noch kennt, ist ja auch nicht gewiß.«
    »Marie«, hatte er störrisch wiederholt, »du mußt schauen, was mit der Mia ist.« Und sie tat es schließlich. Sie erinnerte sich
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