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Die Glasfresser

Titel: Die Glasfresser
Autoren: Giorgio Vasta
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Nase ist Sand, deine Ohren sind Äpfel geworden, ein Auge von mir ist ein Seeigel auf dem Meeresgrund. Dein Mund ist jetzt Fleisch in der Hand eines Mannes, aus meinen Lungen ist ein Bleistift geworden. Die Materie verwandelt sich, und wir verwandeln uns mit ihr. Ohne irgendetwas davon zu wissen, nimmt die Hand des Mannes, in der du bist, den Bleistift, in dem ich bin, und schreibt Sätze, und wir existieren weiter in der Bewegung und dem Schreiben.
    Ich glaube, es ist eine halbe Stunde vergangen, ich glaube, es ist tiefe Nacht. Man hört das Rauschen des Regens. Ich stehe auf und gehe zu ihr: Sie kauert noch immer hinter dem Schaukelstuhl, eingemummt in ihren Mantel, zwischen den Scherben der Kugel aus Glas; im Halbdunkel sehe ich das Weiße ihrer Augen, das absorbierende animalische Licht. Sie hat den sanften, tierhaften Stolz des gehetzten Wilds.
    Ich weiß nicht, warum ich beschlossen habe, kreolisches Mädchen, dass du die Verbindung bist. Ich weiß nicht, warum ich, ohne dich zu kennen, ohne dich zu haben, deine Abwesenheit so sehr spüre. Du bist, wo der Satz nachgibt und in sich zusammenfällt, eine Hautschicht nach der anderen, bis ins Leere.
    Ich suche weiter das Weiße der Augen in dem zusammengekauerten dunklen Körper. Den Blick unverwandt auf sie gerichtet, reibe ich meine Finger aneinander und strecke einen Arm nach ihr aus, berühre sie nicht und ziehe den Arm mit dem Daumen, der sich zwischen Mittel- und Zeigefinger vorschiebt, wieder weg, schlage mit dem Kopf hin und her. Wimbow weicht zurück, lehnt sich an die Wand. Ich reibe also weiter, breite die Arme wie bei der Kreuzigung aus und schlage erneut mit dem Kopf.
    Sie regt sich nicht.

    Reiben der Finger, Kopfschlagen, dann wende ich mich ihr im Profil zu, mache das Känguru, drei vier zehn Sprünge auf der Stelle. Mit keuchendem Atem höre ich auf, drehe mich zur Seite, um das Leuchten ihres Gesichts zu sehen. Ich beginne erneut mit dem Reiben, breite die Arme aus, krümme mich, reibe die Finger aneinander und drehe mich wirbelnd um mich selbst, schlage mit dem Kopf, richte den Oberkörper wieder auf und lege gemessen eine Hand auf die andere, versuche, dabei nicht zu zittern, beuge mich dann hinunter und bringe mit überkreuzten Armen die Hände auf die Knie in die Hüften auf die Schultern und auf die Stirn, und dann wieder von vorn, Knie Hüften Schultern Stirn, strenge mich an, mich zu konzentrieren und mich nicht ablenken zu lassen, und einen Moment später trete ich nach hinten aus, wütend, immer wütender, denn Wimbow sieht mich an und versteht nicht, und bei einem Tritt stoße ich gegen ein Stück Kork, das gegen die Wand geschleudert wird, und es gibt ein dumpfes Geräusch, und dann ist Stille, und in der Stille, verkrampft, mit zitternden Armen, mische ich noch einmal alle Formen des Alphastumm, einer weiteren Sprache der Verzweiflung, in der es für mich keine Stellung gibt, um Liebe zu sagen, zu sagen, dass es nur Liebe war, bis ich erschöpft bin und mich leer im Inartikulierten drehe - und da steht Wimbow auf, geht einen Schritt auf mich zu, berührt mich am Hals, an den Wangen, den Jochbögen, legt mir die Finger wie eine Krone um den Kopf, die Daumen auf die Stirn, die anderen Finger strahlenförmig. Ich spüre die Wärme der Fingerspitzen, spüre, dass ich mich beruhige. Dann hebt sie die Hände hoch (und mein Nimbus verschwindet, und ich frage meinen Nimbus, während er verschwindet: »Bin das nicht ich?«, und er antwortet: »Das bist nicht du«), schaut mich an, und in ihrem Blick liegt die ruhige Zeit, dann lässt sie mich los und tritt zurück, ins Halbdunkel hinter dem Schaukelstuhl.
    Ohne es zu bemerken, gleite ich sachte auf den Boden, auf der anderen Seite des Halbdunkels; hinter uns ist das Licht der Kerzen beinahe gänzlich aufgebraucht: Sie zittern noch, winzige Feuer.
    Zeit vergeht.

    Auf der Venus beginnen die Augen wehzutun. Im Gänsemarsch, so wie sie ausgestiegen sind, kehren die Figuren in den Lander zurück, pressen sich aneinander, bis ein Körper im anderen mündet, und warten, im Himmel versunken, auf die endgültige Zersetzung.
    Im Himmel versunken bin auch ich. Und da sind unsere Körper - mein gekrümmter Körper und der Körper des kreolischen Mädchens.
    Meine Verzweiflung und ihre Stille.
    Da ist, wenn ich meine Stirn berühre, irgendetwas, auf den Fingerspitzen, etwas Nasses.
    Ich schnüffle daran, rieche Blut.
    Während die Linien der Zeit und des Raums zusammenlaufen und der Fluchtpunkt des Jahres
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