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Die gläserne Welt

Die gläserne Welt

Titel: Die gläserne Welt
Autoren: Harry Hoff
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ein gefährliches Spiel.
     
    Brummend flogen die beiden Großflugzeuge, mit denen George von seiner Reise zurückkehrte, über New York dahin. Es war ein klarer, sonnendurchfluteter Herbsttag. Die riesigen Bauten von Manhattan stemmten sich gigantenhaft gegen den azurblauen Himmel, vor dem ein duftiger Schleier lag. In der Ferne glitzerte als blendender Spiegel die See auf. Hunderte kleiner und großer Schiffe schaukelten sich auf den Wellen. Durch die Straßen der Stadt perlten Menschenkaskaden dem Flugplatz zu. Fahnenschmuck. Jubel und Trubel. Erwartungsfieber.
    Der ›Sieger im Kampf um den Frieden der Menschheit‹, wie George von einer Zeitung genannt worden war, mußte würdig empfangen werden. Gleichzeitig gedachte man auch Wilbur entsprechende Ehrungen zuteil werden zu lassen. Er hatte sich bereits, von der Menge stürmisch begrüßt, auf dem Landungsplatz eingefunden. In seinem Inneren brannte eine verzehrende Glut. Erwartete er nur seinen Bruder? Nein. Er erwartete Gloria. Er war so mit ihr beschäftigt, daß er die ihn umjubelnde Menge kaum sah. Sein Blick tastete den Himmel ab. Da – da kamen sie!
    Eine Bewegung ging durch die Menge. Kapellen spielten. Lautsprecher trugen die Musik in die entferntesten Winkel und Hallen. Rundfunksprecher kündigten die Landung an. Filmleute kurbelten.
    George stieg als erster aus. Wilbur stand vor ihm, von mehreren Herren umgeben. Alle hatten das Haupt entblößt. Orkanartig brausten Hochrufe über das Feld.
    Die Hände der beiden Brüder lagen einen Augenblick fest ineinander. Aber Wilbur blickte an George vorbei. Er starrte auf die Kabinentür, in deren Rahmen Gloria sichtbar wurde. Im vollen Sonnenlicht stand sie für ihn wie eine Erscheinung da, aus allem herausgehoben – sie allein auf der Welt. Er sah, wie sie zusammenzuckte, wie sie dann langsam die kleine Treppe herabstieg und auf ihn zuschritt. Über ihre Züge glitt ein strahlendes Leuchten. Sie faßte nach seiner Hand.
    George trat einen Schritt zurück. Er fühlte sich unbehaglich. Wankte der Boden zu seinen Füßen? Was war das nur? Sein Blick trübte sich, er hörte die Hochrufe aus der Menge wie ein warnendes Brausen, – irgend etwas spaltete seine Brust. Er riß Gloria von Wilbur zurück. Er wußte nicht, was er tat. Zwei Herren traten dazwischen und zogen ihn in ein Gespräch. Dann schritt man gemeinsam auf eine Tribüne zu. Hier sollten die Brüder eine kurze Ansprache halten. George trat zuerst vor das Mikrofon. Er hatte sich gewaltsam zusammengerissen. Doch seine Stimme schwankte noch, als er sprach. Es waren nur wenige Worte: »Ich freue mich, wieder in der Heimat zu sein, und ich danke Ihnen für diesen Empfang. Möge der Erfolg meiner Reise der Menschheit weiterhin zum Segen gereichen.«
    Nach diesen Worten trat er zurück. Nicht enden wollender Jubel umbrauste ihn.
    Anschließend mußte Wilbur sprechen. Er war tief bewegt. Als er geendet hatte, schob man auch George noch einmal zu ihm hinauf. Nun zeigten sich beide Brüder, Bild und Spiegelbild, gemeinsam der tobenden Menge.
    Gloria, am Fuß der Tribüne stehend, verfolgte die Vorgänge bebenden Herzens. Das Wiedersehen mit Wilbur hatte sie tief erschüttert, es war, als habe eine Flamme nach ihrem Herzen gezüngelt. Sie hatte ein stechendes Gefühl in der Brust, ihre Pulse flogen. Eine Flut bisher zurückgedrängter Gefühle hatte die Wehrmauer ihrer Hemmungen unvermittelt gewaltsam durchbrochen, – sie sah scharf und klar in sich hinein und erbebte vor der Erkenntnis, daß Wilbur ihr Schicksal wurde.
    Es war gut, daß man sie im Augenblick nicht beachtete, so daß sie sich sammeln konnte. Als das Brüderpaar auf sie zutrat, hatte sie sich in der Hand. Begeisterte Menschen hoben Wilbur und George auf ihre Schultern und trugen sie bis zum Auto hin. Hochrufe! Fahnenschwenken! Konfettiregen! Die Polizei mußte den Schreitenden einen Weg bahnen.
    Dieser Triumphzug setzte sich durch die Straßen fort.
    George mußte sich Zwang antun, um ein Lächeln hervorzubringen. Er fühlte sich unsicher, er war wie betäubt. Irgend etwas kroch auf ihn zu, irgend ein Abgrund hatte sich vor ihm aufgetan. Nebelhafte Gedanken und Vorstellungen kreuzten sein Hirn. Er wurde unsicher. Schemen tanzten an ihm vorüber.
    Gloria, ihm gegenübersitzend, blickte an ihm vorbei. Was hätte er darum gegeben, jetzt für einen Augenblick ihre Gedanken belauschen zu können! – Aber belauschen – wozu noch? Hatte sich nicht schon alles entschieden? Irgend etwas war abgerissen,
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