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Die gläserne Welt

Die gläserne Welt

Titel: Die gläserne Welt
Autoren: Harry Hoff
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und reiches gemeinsames Leben blühte vor ihnen auf ...
     
    Redakteur Lynn legte das Manuskript zur Seite und strich sich über die Stirn. Er mußte sich in der Wirklichkeit erst wieder zurecht finden, nachdem er wie ein Träumender durch die gläserne Welt des Dichters gewandelt war. Die ganze Nacht über hatte er sich von der Lektüre nicht losreißen können. Von draußen blitzte die Morgensonne durchs Fenster und scheuchte die Schatten und Schemen fort, die Lynn umlagert hatten. Er atmete befreit auf. Nein – diese Erfindung gab es noch nicht, noch brauchte er nicht zu befürchten, in seinen Gedanken belauscht zu werden. Aber täglich konnte es kommen, – und dann würde es sich wohl so ähnlich abspielen wie es Hoggarth geschildert hatte.
    Der Schriftsteller kam um die Mittagszeit. Lynn klopfte ihm auf die Schulter. »Ich bin sehr zufrieden«, sagte er, »es ist Ihnen wirklich gelungen, den Rahmen des Alltäglichen sprengend, über sich selber hinauszuwachsen. Aber hören Sie, Hoggarth – es bleiben noch Fragen offen. Was ist mit dem armen George weiter geschehen? Konnte er wirklich geheilt werden? Ist Wilbur mit Gloria glücklich geworden? Sie haben da ganz geschickt ein happy end in die Tragik verflochten. Aber, wissen Sie, eigentlich fangen doch die Probleme mit der Ehe erst an. Damit, daß sie ›sich kriegen‹, scheint mir noch lange kein Glück gewährleistet zu sein.«
    »Richtig«, erwiderte Hoggarth lächelnd, »aber die allgemeine Meinung ist doch nun einmal so.«
    »Für mich jedenfalls«, sagte Lynn, »ist das Werk noch nicht abgeschlossen. Da muß später noch ein zweiter Band folgen. Aber vorerst – na schön, ich werde den Roman bringen. Hier schreibe ich Ihnen einen Scheck aus.«
    »Kann ich den sofort einlösen?«
    »Ja – warum?«
    »Weil ich Hunger – weil ich seit vierzehn Tagen schon nicht mehr richtig gegessen habe.«
    »Wahrhaftig? Mensch, – warum haben Sie denn keinen Vorschuß von mir verlangt –?«
    Hoggarth zuckte mit den Achseln. »Wußte ich –? Überhaupt, so etwas liegt mir nicht. Sehen Sie, Lynn, es wird Zeit, daß die von mir beschriebene Erfindung wirklich gemacht wird. Dann hätten Sie gleich gewußt, wie es um mich bestellt war. Aber das macht nichts. Letzten Endes bin ich doch reicher, als mancher, der in Millionen wühlt. Denn schöpferisch tätig sein können – ja, Lynn, das ist der wahre Reichtum. Da baut man sich seine Welt selber auf, man ist Gott und Teufel zugleich – und wenn man anderen damit auch etwas geben kann, sei es, daß man sie zum Nachdenken anregt, oder ihnen auch nur, sie in eine andere Sphäre entführend, über die eigenen Unzulänglichkeiten und Leiden hinweghilft – dann ist das für einen Menschen wie mich schon die schönste Befriedigung.«
    Lynn faßte den jungen Schriftsteller lächelnd am Arm. »Jetzt möchte ich tatsächlich einmal Ihre Gedanken belauschen können!« erwiderte er, »na, kommen Sie mit mir essen, Hoggarth! Ich lade Sie ein. Dabei werden wir auf Ihr Werk anstoßen – und dann besprechen wir den zweiten Teil Ihres Romans.«
    Hoggarth folgte dem Redakteur in ein nahegelegenes Speisehaus, – und er freute sich wie ein Kind, daß er sich endlich wieder einmal richtig sattessen konnte.
     
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