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Die Gezeiten von Kregen

Die Gezeiten von Kregen

Titel: Die Gezeiten von Kregen
Autoren: Alan Burt Akers
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gewesen.
    Schließlich erreichten wir den Damm der Tage.
    Wie soll ich dieses Bauwerk beschreiben?
    In überschwenglichen Tönen, in Begriffen der Größe, Pracht und Majestät? Mit wissenschaftlichen Daten, die Kubikmaße, die vielen Tonnen Wasser, die den Damm passierten, die technischen Anlagen der Senkkästen? Nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten – auch wenn Elektrizität hier nicht bekannt war und auch ich damals noch keine Ahnung davon hatte? Jedenfalls hätten die hier möglichen Megawatt das ganze Binnenmeer erleuchten können. Nach künstlerischen Kriterien, wenn das Sonnenlicht auf den Felsauffüllungen schimmerte und die eindrucksvolle Pracht einer Alpenszenerie entfaltete?
    Der Damm erstreckte sich quer zur Kanalmündung, die sich zu einer Bucht erweitert hatte. Die Bucht selbst umfaßte eine große Wasserfläche. Der Damm ragte zu ungeheurer Höhe auf; dennoch wirkte er wie eine lange niedrige Mauer vor dem Meer, wenn der Blick an seiner Oberkante entlangglitt, von Landmasse zu Landmasse. Ein Holländer hätte diese technische Leistung sicher besonders zu schätzen gewußt. Das Bauwerk war vor langer Zeit vom Sonnenuntergangsvolk errichtet worden. Inzwischen hatte ich erfahren, daß die Savanti aus Aphrasöe die letzten Nachkommen jener einst stolzen und weltumspannenden Rasse waren. Sie hatten für die Ewigkeit gebaut; dennoch waren an vielen Orten ihre Städte vernichtet worden; so konnten die Kharoi-Steine auf meiner Insel Hyr Khor in Djanduin als Überreste aus ihrer Blütezeit gelten.
    Der Große Kanal und der Damm der Tage aber wirkten absolut neu. Das Sonnenuntergangsvolk hatte diese Bauwerke mit besonderer Liebe geschaffen.
    »Siehst du den Wasserfall, der sich am Nordufer ins Meer ergießt, Tyr Dak?« Der junge Todalpheme hob einen Arm und bezeichnete mir die Stelle. Er war ein Novize, der seinen Beruf erst lernen mußte. In hundert Jahren, wenn er Glück hatte, mochte er Akhram sein. Ich nickte. Das Wasser ergoß sich ins Meer, und dahinter, landeinwärts, schimmerte ein See.
    »Wenn die Flut steigt, füllt sich der See, und so braucht der Fluß ihn lediglich nachzufüllen. Das ist das Reservoir, aus dem die Stärke des Damms der Tage kommt.«
    Wir ritten weiter. Auf einer weiten Ebene erhoben sich die Zelte und Hütten einer nicht gerade kleinen Armee – Grodnim. Duhrra zog die verachtete grüne Robe enger um seinen Körper. Ich wußte, daß man uns leicht entlarven und versklaven konnte, und war bereit, mich meiner Haut zu wehren.
    Die drei Todalpheme brauchten sich solche Sorgen nicht zu machen, denn sie waren immun; dennoch machten sie einen Bogen um das Lager. Es erzürnte sie, daß nackte Gewalt angewendet wurde an einem Ort, an dem das reine Licht der Wissenschaft leuchten sollte.
    Jenseits des Damms schweifte der Blick in die Ferne. Zur Rechten bewegte sich die graugrüne See bis zum Horizont. Ein Unwetter zog auf. Links zeigte das Wasser die blauere Tönung des Binnenmeeres, obwohl nur der massige Damm dazwischenlag. Wir begaben uns auf die Mitte und verweilten eine Weile stumm. In Abständen gab es Öffnungen im Damm der Tage. Sie waren so gestaltet, daß sie dem Wasserdruck von Osten und von Westen widerstanden – und nicht nur von einer Richtung wie bei einem Schleusentor. Sie hatten die Form riesiger Zylinder, die sich in breiten Gesteinsschienen hoben und senkten. Als modernen Vergleich kann ich anführen, daß sie wie Kolben aussahen. Wurde durch Leitungen Wasser aus dem See herbeigeführt, sanken sie hinab und verschlossen die Öffnungen.
    Die Anhebung dieser Senkkästen, im Grunde einfach, erforderte eine Technologie, die den damaligen Wissensstand eigentlich überstieg. Daß seit Bestehen des Damms nur eine einzige Stahltrosse gerissen war, ist ein Beweis für die Qualität der Arbeit des Sonnenuntergangsvolks. Neben jedem Senkkasten befand sich ein riesiger Reservoirtank, der sich ebenfalls in Schienen auf und ab bewegen konnte. Über eine Anordnung von Rollen führten zahlreiche Stahlseile vom Senkkasten zum Tank. Wurde der Tank aus einer separaten Leitung mit Seewasser gefüllt, sank er hinab. Da der Tank größer war als das Senkkastenvolumen, das sich unter der Meeresoberfläche befand, zog der Tank im Absinken den Senkkasten empor. Im Senkkasten ließen sich Abflußschlitze öffnen, durch die das Wasser entweichen konnte. Der Senkkasten seinerseits war in der höchsten Stellung und leer noch massiger als das Wasser, das im Tank verblieben war, nachdem seine Füllung
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