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Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Titel: Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4
Autoren: dtv
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vorangegangenen drei Reisen. Die eisigen Gewässer um sie herum hatten nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem Südpazifik. Wenn sie versuchten weiterzusegeln, drohten ihnen zahlreiche Gefahren. Eine davon war, dass sie im Packeis festfrieren könnten und damit gefangen wären. Zudem drohte das Schiff von den gewaltigen Eismassen um sie herum zerdrückt zu werden.
    Offensichtlich entschied sich Hudson, sein Schiff an der sichersten Stelle, die er finden konnte, auf Grund zu setzen, in gebührender Entfernung von den schlimmsten Eismassen. Laut Prickett befahl Hudson dem Schiffszimmermann, Philip Staffe, auf der nahe gelegenen Landmasse eine Hütte für den Winter zu errichten. In einem recht ungewöhnlichen Akt des Widerstandes weigerte sich Staffe, dem Kapitän Folge zu leisten, indem er sinngemäß sagte: »Ich bin Schiffszimmermann. Ich baue keine Häuser.« Allerdings gab er wenig später doch nach und baute eine Unterkunft. Prickett zufolge machte der Bau der Hütte »viel Arbeit« und brachte »wenig Nutzen«.
    Die Winter an der James Bay sind von grausamer Härte, denn die Temperaturen fallen manchmal unter minus vierzig Grad. Und Hudson und seine Männer hatten damals weder Fleecejacken dabei noch Mikrofaserkleidung oder Funktionsunterwäsche. Vermutlich bestanden die wärmsten Kleidungsstücke, die sie besaßen, aus Wolle. Wenn die Seeleute damit nass wurden, waren Frostbeulen garantiert.
    Das kalte Wetter »lähmte fast die gesamte Mannschaft«, heißt es bei Prickett.
    Erstaunlicherweise waren sie den größten Teil des Winters mit Nahrungsmitteln reichlich versorgt. Prickett berichtet von einersolchen Menge an Schnee- und Waldhühnern, dass »wir über hundert Dutzend erlegten« und »so viele Fische fingen, wie wir nur konnten«.
    Als es Frühjahr wurde, zogen diese Vögel weg und bald auch die anderen. Auch Fische waren schwerer zu fangen. Laut Prickett waren die Männer gezwungen, durch Wälder, Hügel und Täler zu streifen, um zu sammeln, was nur irgendwie Gehalt hatte, egal, wie scheußlich es schmeckte: »Nichts wurde verschmäht, nicht einmal das Moos auf der Erde, gegen das verrottetes Holz besser schmeckt, und Frösche, die in der Paarungszeit ebenso abscheulich sind wie Kröten.«
    Das spärliche Essen schmeckte nicht nur schauderhaft, es lieferte den Männern auch nicht genügend Nährstoffe. 1611 war der Zusammenhang zwischen Nahrungsmitteln und bestimmten Krankheiten noch niemandem völlig klar, doch ein wenig wusste man schon. So erwähnt Prickett, dass Thomas Wydowse aus den Knospen eines heimischen Baumes eine terpentinartige Substanz kochte, mit der er vermutlich die schweren Symptome von Skorbut behandelte.
    Falls du noch weißt, dass Skorbut eine Krankheit ist, die man bei extremem Vitamin- C-Mangel bekommt, dann herzlichen Glückwunsch. Ich hoffe, du kommst niemals in die Situation herauszufinden, wie unangenehm diese Krankheit wirklich ist. Menschen mit Skorbut werden immer schwächer und matter. Ihr Zahnfleisch schmerzt und am Ende fallen ihnen die Zähne aus. Ihre Knochen sind schwach und können leicht brechen. Die Menschen werden leicht ohnmächtig, haben sehr blasse Haut, eingesunkene Augen, Muskelschmerzen, innere Blutungen und schließlich Durchfall. Längst verheilte Verletzungen, wie beispielsweise alte Degenwunden, können wieder aufbrechen. Neue Wunden verheilen mitunter gar nicht.
    Hört sich nicht sehr lustig an, nicht wahr? Wenn du nach diesem Absatz den Wunsch hast, loszugehen und dir ein großes Glas Orangensaft zu holen, um es beim Lesen zu trinken, habe ich nichts dagegen. Allerdings solltest du es schnell trinken, denn ich komme gleich auf wirklich widerliches Essen zu sprechen.
    Erstaunlicherweise überlebten alle bis auf einen den Winter, trotz der schrecklichen Kälte, des Nahrungsmangels und der Krankheiten. Als das Eis in der Bucht endlich brach und sich alle zur Weiterfahrt bereit machten, waren die Nahrungsvorräte so knapp, dass Hudson beschloss, die letzten Brot- und Käsevorräte gleichmäßig aufzuteilen. Jeder an Bord bekam einen Vorrat, der vierzehn Tage reichen sollte   – obwohl man Hudson gewarnt hatte, dass manche ihren Anteil sofort verschlingen und dann gar nichts mehr haben würden. Und genau das geschah. Ein Mann vertilgte an einem Tag sogar so viel Brot, dass ihm schlecht wurde. Andere begannen zu tuscheln, Hudson würde Vorräte verstecken und die besten Sachen für sich und seine Günstlinge behalten. Hudson dagegen glaubte, seine Männer
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