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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer
Autoren: R Merle
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»Wiederaufbau« von Dave sehr schnell Besitz. Bei ihm mußte ja auch nicht erst wie bei mir eine eingewurzelte monogame
     Tradition überwunden werden. Ich begriff, daß ich mir, wie schon so oft, sinnlos den Kopf zerbrochen hatte, als er mir eines
     Tages nach der Schule triumphierend mitteilte, drei Mädchen aus seiner Klasse hätten ihn als Erzeuger vorgemerkt, »sobald
     er das Alter erreicht hätte«.
    Er verfolgte übrigens die Schwangerschaften meiner Gefährtinnen mit dem lebhaftesten Interesse, und um diesbezüglich seine
     unersättliche Neugierde zu befriedigen, entschloß ich mich, ihm auf der Wandtafel in seinem Zimmer eine kleine Einführung
     in die Embryologie zu geben. Ich erfuhr hinterher, daß er meinen Vortrag in der Schule mit einer Sachkenntnis wiedergegeben
     hatte, die ihm reichliches Lob seiner Lehrerin eintrug. »Trotzdem bin ich sauer, wenn ich daran denke, daß ich nie ein Kind
     bekommen werde«, sagte Dave, als er mir von dem Lob berichtete. Und er schloß melancholisch: »Es ist schon blöd, ein Junge
     zu sein.«
    Eine Überlegung, die er ein Jahr zuvor und auch in Blueville nicht angestellt hätte. Das mindeste, was man sagen kann, ist,
     daß die von der Gemeinschaftsschule jetzt vermittelte Erziehung unter den Jungen die Phallokratie nicht fördert.
    Was seine persönlichen Beziehungen zu Burage und Jackie betrifft, so sind sie derart gut, daß ich fast eifersüchtig bin. Die
     Art, wie er sich seit Beginn unseres gemeinsamen Lebens unter ihre Fittiche und in die Wärme ihrer Liebe flüchtete, machte
     mir klar, wie sehr ihm nach dem Tode seiner Mutter die Nähe einer Frau gefehlt hatte. Er ist gegenüber Jackie und Burage immer
     sehr anspruchsvoll, sehr kontakthungrig, und ich stelle fest, daß er sie auf schamloseste Art umgarnt, um seine Ziele zu erreichen.
     Das geht im übrigen sehr gut. Und er nimmt ihre Zeit |356| und ihre Aufmerksamkeit maximal für sich in Anspruch, jedoch mit einer heimlichen Vorliebe für Burage. Dabei läßt es sich
     mit Jackie leichter auskommen, selbst für ihn; immer fröhlich, ausgeglichen, ohne Komplexe und völlig unbeschwert, sucht sie
     niemals Streit, während Burage von Zeit zu Zeit ausholt und ihre Krallen zeigt. Doch Burage besitzt eine Eigenschaft, für
     die Dave empfänglich ist. In ihren zärtlichen Augenblicken ist sie zärtlicher und »wickelt« ihn mehr ein. Das entschädigt
     ihn wohl für die Prankenhiebe, die er einstecken muß.
    Zu meiner großen Freude habe ich bemerkt, daß er über seinem gegenwärtigen Glück Mutsch nicht vergessen hat, die ihm in Blueville
     so gute Ratschläge gegeben hatte. Er schreibt ihr oft, und sie antwortet ihm aus Harvard, wo Stien wieder seinen Posten angetreten
     hat, mit langen methodischen, fast familiären Briefen. Dave schreibt auch an Joan Smith. Ich beging die Unvorsichtigkeit,
     ihm zu sagen, daß ich versuchen würde, die Arbeitsgruppe von Blueville mit Smith, Pierce und Grabel wieder aufzubauen, wenn
     die Absicht, mir in Washington ein Forschungszentrum anzuvertrauen, Gestalt annähme. Seit diesem Tag fragt er mich fast jede
     Woche, wie es um dieses Projekt steht und ob wir »die Smiths« bald wiedersehen werden. Ich muß sagen, daß Jackie nicht weniger
     ungeduldig ist: sie wäre glücklich, »Rita« wieder in ihrer Nähe zu haben. Ich auch. Burage dagegen schweigt, und ich weiß
     genau, weshalb. Sie wirft Rita ihr inquisitorisches Temperament vor.
    Indessen waren wir alle glücklich, als uns Dorothy Barrow unvermutet ins Haus schneite. Sie wohnte bei uns in Wesley Heights,
     und ich bedauerte, daß sie nur zwei Wochen in Washington bleiben konnte. Aber der Gouverneur des Staats Ohio war gerade gestorben,
     und sie wollte bei den Wahlen kandidieren. Dorothy Barrow, mit der ich in Blueville nur manches Lächeln ausgetauscht hatte,
     ohne jemals das Wort an sie zu richten, überraschte mich bei näherem Kennenlernen durch ihre unerschöpfliche Energie. Während
     der kurzen Zeit, die sie in Washington weilte, ließ sie sich von Mr. Barrow scheiden – durch das
Gesetzbuch der Frau
hatten es die Ehefrauen der A.s sehr bequem, wenn sie sich von ihren unfruchtbaren Männern trennen wollten –, entfaltete in
     der Umgebung der Präsidentin eine enorme politische Arbeit und ließ sich von mir ein Kind machen.
    |357| Sie bat mich auch, dem künftigen Kind in aller Form meinen Namen als Mittelnamen zu geben.
    Jackie und Burage hatten mich ebenfalls darum ersucht, und ich hatte nur
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