Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
schwarzes Kleid |359| mit weißem Kragen, fast eine Uniform. In der Pose der Allwissenheit. Der Blick durchbohrt mich wie ein Schwert und mißt mich
     von Kopf bis Fuß, während ich auf sie zugehe. Sie erhebt sich schwungvoll, scheint es – ein vielleicht sorgfältig eingeübter
     Schwung –, und küßt mich auf den Mund. Schockierend. Immerhin, vor dem Kuß dieser Blick vorhin! Sie setzt sich wieder, nimmt
     meine rechte Hand, wendet sich mir zu.
    »Du siehst ja blendend aus, Ralph! Die lebhaften Augen, das glänzende Haar! Man sieht auf den ersten Blick, daß du bestens
     versorgt wirst von deinen Frauen (Lachen), gehätschelt, gestriegelt und genährt … Und wie elegant! Mir gefällt es, daß in
     der Mode die taillierte Lederjacke an die Stelle des Jacketts getreten ist. Sie ist vorteilhaft für Männer von deiner Statur,
     schlank und muskulös. Vor allem, wenn man sie wie du mit einer enganliegenden Hose trägt. Du hast einen Po wie ein Torero,
     Ralph! Ohne deine übrigen Vorzüge zu nennen (Lachen). Ehrlich, als ich dich kommen sah, lief mir das Wasser im Munde zusammen.
     Nur eins ist schade: daß du dich nicht zum deutschen Hosenlatz bekehrt hast! Er fängt an, in New York Furore zu machen, und
     ich finde ihn sehr verführerisch …«
    Mrs. Twang nimmt die Bestellung entgegen. Sie zeigt immer noch das gleiche archaische Lächeln, über das sie nach Belieben
     verfügt, aber gewiß nicht denselben Gleichmut. Als mein Blick aus alter Gewohnheit an dem kleinen Schlitz ihres Kleides hängenbleibt,
     wirft sie mir einen so aggressiven, sprechenden Blick zu, daß ich baff bin. Als sie weg ist, mahnt mich Anita (ich glaube
     Burage zu hören!) zu größerer Zurückhaltung und Vorsicht.
    »Du wirst noch mal entführt werden, lieber Ralph. Das kommt jetzt oft vor. Gangs von drei oder vier Frauen. Oh, ganz anders
     als die Geschichte mit dem unglücklichen Mr. B., erinnerst du dich? Mißhandlungen oder Folterungen gibt es nicht. Der Erzeuger
     wird höflich wieder entlassen, wenn er seine Schuldigkeit getan hat. Was soll man tun? Wir sind praktisch machtlos dagegen.
     Wir baden in einer wahren Mystik der Mutterschaft! Gegenwärtig würde kein Richter wagen, schwangere Frauen wegen Entführung
     zu verurteilen, sobald sie behaupten, aus patriotischer Pflicht ›im Geiste des Wiederaufbaus‹ gehandelt zu haben. Ernsthaft,
     Ralph, du solltest deine Samtaugen in die Tasche stecken, wenn eine Frau in der Nähe ist, |360| oder sie wenigstens gesenkt halten. Ich kann dir nur empfehlen, nicht allein zu Mrs. Twang essen zu kommen. Ich möchte dir
     überhaupt abraten, allein auszugehen. Du solltest Hauptmann Davidson bitten, dir eine Leibwache zur Verfügung zu stellen.
     Das wäre sicherer.«
    »Du kennst Jackie?«
    »Aber sicher. Burage auch. Eine charmante Frau. Und wie es mich ehrt, lieber Ralph, daß du dich für eine Frau entschieden
     hast, die mir ähnelt (Lachen). Wir haben das gleiche Haar.«
    »Sie ähnelt dir nicht: die Augen, die Nase …«
    Anita streicht mit dem Finger über ihren so wohlgeformten Nasenflügel.
    »Die Nase, vielleicht«, sagt sie mit einer kleinen, für einen Politiker durchaus erstaunlichen Anwandlung von Eitelkeit.
    Daraufhin holt sie aus ihrer Tasche ein Schächtelchen, das sie mir als »Minigeschenk« überreicht. Ich habe große Lust, es
     zurückzuweisen, aber mir fehlt der Mut, da ihr sehr viel daran zu liegen scheint, daß ich es annehme. Und als ich die Schachtel
     geöffnet habe, ist es natürlich zu spät. Das »Minigeschenk« ist ein goldener Siegelring mit meinen Initialien. Sie kommen
     wieder in Mode, versichert mit Anita, während sie ihn mir über den kleinen Finger streift und mich abermals küßt.
    Nachdem sie mich wie ein Federvieh mit einem Ring versehen hat und nach diesem Kuß wieder ruhiger geworden ist, stürzt sie
     sich auf die Krapfen mit Krabben (auch mein Anteil wird draufgehen) und vertraut mir die großen Pläne an, die sie für mich
     geschmiedet hat.
    Sie hat im Weißen Haus die Bekanntschaft einer frischgebackenen Erdölmillionärin gemacht, einer Witwe selbstverständlich.
     »Diese
Ölionärin
, die nicht mehr die Jüngste ist, möchte der Nachwelt unbedingt ihren Namen in Form einer wissenschaftlichen Stiftung hinterlassen.
     Ich habe ihr – was läge näher? – ein Institut zur Erforschung von Gehirnkrankheiten vorgeschlagen. Hier in Washington. Mit
     dir als Direktor. Ich glaube, das läuft.«
    Ich höre zu und murmele leise Dankesworte, mehr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher