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Die Geschichte vom neidischen Dorle

Titel: Die Geschichte vom neidischen Dorle
Autoren: Hans Günter Krack
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den ganzen Vorfall beobachtet. Sie gab Heino recht. Jawohl, recht hatte er, obwohl er öfters sehr frech zu den Mädchen war. Sie überlegte, ob sie nicht alles Fräulein Fröhlich, der Klassenlehrerin, erzählen sollte? Aber nein, lieber nicht. Wie sah das dann aus? Es war nun schon das vierte Mal, daß Dorle jemanden aus Neid kränken wollte. Ganz klar! Nur der Neid war es, der Dorle zu allem anstiftete. Aber wie konnte man sie von diesem Neid heilen? Wenn das so weiterging, wollte bald niemand mehr etwas mit Dorle zu tun haben. So eine Freundin taugte wirklich nicht viel!

Vater weiß alles
    Mit finsterem Gesicht stieg Dorle die Treppen empor. Ihr Ärger kannte keine Grenzen! Von Heino war sie beleidigt worden, von Traude und Monika schließlich auch! In der Wohnung angekommen, stellte Dorle ihren Roller hinter den Vorhang in der Diele. Aus dem Wohnzimmer hörte sie die Stimmen der Eltern. Vati war also schon zu Hause.
    Dorles Vater arbeitete bei der Straßenbahn als Triebwagenführer. Das war ein interessanter Beruf! Dorle fuhr manchmal mit dem Vater, wenn er auf der Linie 16 Dienst tat. Dorle wollte auch einmal Straßenbahnführerin werden. Es gefiel ihr, so kreuz und quer durch die Stadt zu fahren. Manch-mal konnte man auch Jungens ausschimpfen, die auf der Fahrbahn Rollschuh liefen oder Fußball spielten.
    Dorle war jetzt lange nicht so tapfer wie in dem Augenblick, als sie Peter in den Roller rasselte. Sie hatte ihre Schulhefte auf dem Tisch liegenlassen, als sie davonlief. Sehr unordentlich mußte das ausgesehen haben. Mutti konnte Unordnung gar nicht ausstehen!
    Eine ganze Weile behielt Dorle die Klinke der Wohnzimmertür in der Hand. Dann drückte sie sie endlich nach unten und trat ins Zimmer.
    „Da bist du ja“, sagte der Vater. Es klang unfreundlich. Dorle sprang schnell zu ihm hin und gab ihm einen Begrüßungskuß. „Ich — ich bin bloß ein bißchen mit dem Roller gefahren“, stieß sie hastig hervor. Dann fiel ihr ein, daß sie begründen mußte, warum sie davongelaufen war. Sicher hatte Mutti von der Unordnung auf dem Tisch erzählt. Frau Klöhner hatte aber noch ganz andere Dinge mit dem Vater besprochen. Das aber wußte Dorle nicht.
    Sie erklärte: „Ich hatte nämlich — so — so schlimme Kopfschmerzen.“
    „Aha!“ Die Mutter blickte den Vater vielsagend an. Der saß in einem Sessel am Fenster. Er hielt die Zeitung in der Hand, hatte die Beine ausgestreckt und wippte mit den Pantoffeln, die er an den Füßen trug. Er hatte volles braunes Haar und gutmütige graue Augen, die aber jetzt nicht sehr freundlich dreinschauten.
    „Ich muß mich waschen!“ rief Dorle und streckte die Hände mit gespreizten Fingern vor sich hin. Vater und Mutter sahen sehr streng aus. Dorle fühlte sich in ihrer Haut gar nicht wohl.
    „Warte noch ein bißchen mit dem Händewaschen“, meinte der Vater und zog die Beine an. Mit Daumen und Zeigefinger strich er sich übers Kinn.
    Dorle wußte, daß mit dem Vater nicht zu spaßen war, wenn er sich das Kinn rieb. Jetzt sah sie auch, daß ihre Schul sachen vom Tisch geräumt waren. Sie lagen auf dem Teewagen, der in der Fensterecke stand.
    „Du hast also Kopfschmerzen gehabt?“ begann der Vater. „Kopfschmerzen — ja, ja ...", stotterte Dorle und wurde rot wie eine reife Erdbeere.
    „So, so!“ brummte der Vater. „Das muß ja schlimm gewesen sein. Du hattest wohl darum Kopfweh, weil Traude ein neues Kleid bekommen hat, wie?“ Er sah sie so eindringlich an, daß Dorle seinem Blick nicht standhalten konnte.
    „Das war so ...", wollte sie erklären.
    Die Mutter unterbrach sie. „Das war so wie Weihnachten mit Monikas Puppe, nicht wahr, Dorle? Du weißt schon, was ich meine ..." Ihre Stimme klang sehr traurig. Sie legte den Strumpf, an dem sie gestopft hatte, zur Seite und steckte die Nadel mit einem Ruck ins Nadelkissen.
    Dorle schluckte und wußte nicht, was sie sagen sollte.
    Auf einmal mußte sie wieder an das Aprikosenkompott denken.
    „Ich würde mich an Traudes Stelle für so eine neidische Freundin bedanken“, meinte ihr Vati. „Und dann — wie war das eigentlich mit Noltes Peter?“
    Erschrocken fuhr Dorle zusammen. Das wußte er auch? Wer mochte es ihm erzählt haben? Ob Mutti sie vom Küchenfenster aus beobachtet hatte?
    Dorles Vater ließ nicht lange auf eine Erklärung warten. „Ich kam gerade nach Hause und freute mich auf meinen Feierabend. Da sah ich, daß meine Tochter Dorle einem kleinen Jungen mit Absicht gegen seinen neuen
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