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Die Geschichte vom neidischen Dorle

Titel: Die Geschichte vom neidischen Dorle
Autoren: Hans Günter Krack
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Die Räder standen schief, und die Gummireifen waren fast abgefahren. Von der Lenkstange war ein Stück abgebrochen, und Heino hatte das beschädigte Ende mit Isolierband umwickelt. Doch dieser struppige Heino schien sich deswegen nicht zu grämen, obwohl Peter mit einem so prachtvollen Roller protzte.

Verfolgung zwecklos
    „Laß mich mal fahren“, forderte Dorle den kleinen Peter auf. Der Junge hielt stolz den Lenker seines Rollers fest. Den rechten Fuß hatte er auf dem Trittbrett stehen. Er blickte schweigend umher und ließ die anderen sein Fahrzeug loben. Verächtlich musterte er Dorle von oben bis unten. „Ich lass’ dich nicht fahren“, sagte er und strich sich mit einer Hand über sein Haar, das am Wirbel zu Berge stand. „Du hast mich
    voriges Jahr auch nicht auf deinem Roller fahren lassen.“ Wenn Peter sprach, konnte jeder sehen, daß ihm ein Vorderzahn fehlte. Darum zischte er auch ein bißchen. Das klang ulkig.
    „Voriges Jahr warst du noch klein“, verteidigte sich Dorle verlegen. „Ich hatte Angst, du könntest mit ihm anfahren...“ „Und ich — ich hab’ Angst, daß du jetzt mit meinem Roller anfährst“, gab Peter großspurig zurück.
    Nicht umsonst hatte ihn Dorle voriges Jahr abgewiesen, als er noch keinen Roller besaß. Heino — ja, der hatte ihn  immer fahren lassen, wenn er ihm dafür seinen Kreisel und die Peitsche übergab. Anderen Kindern hatte er einen Bonbon oder zwei Murmeln geben müssen, um fahren zu dürfen. Aber Dorle hatte ihn überhaupt nicht beachtet, als er sie bat.
    Und jetzt rächte er sich!
    Heino lachte und knuffte Dorle in die Seite. Wütend fuhr Dorle herum und blitzte den Jungen drohend aus ihren braunen Augen an. Auf den Jungen machte das aber gar keinen Eindruck. „Da hast du dein Fett weg“, spöttelte er.
    Mit einem Ruck wandte sich Dorle ab und blickte gerade in Monikas Gesicht. Monika sah sie genauso vorwurfsvoll an wie zu Weihnachten, als Dorle ihre Puppe schlechtmachte. „Was gaffst du denn?“ fauchte Dorle zornig.
    Seit dem Streit am Weihnachtsabend hatten die beiden Mädchen kaum miteinander gesprochen. Lange Zeit hatte es Dorle nicht fertiggebracht, Monika einen freundlichen Blick zu gönnen. Alles wegen dieser dummen Puppe. Als Dorle den Neid überwunden hatte, schien Monika plötzlich keinen besonderen Wert auf eine Unterhaltung zu legen. Es war fast so, als fürchte sie sich vor Dorle. Wenn sie ihre Puppe Resi im Arme trug, ging sie der Klassenkameradin am liebsten aus dem Wege. Bevor es noch zu einem Wortwechsel kam, startete Peter mit seinem Roller.
    Der war ja viel zu groß für ihn! Peter schien das nichts auszumachen. Immer schneller fuhr er auf dem Gehsteig 

    dahin. Sogar Fußgänger wichen vor ihm aus. Seine Klingel schrillte. Heino zog bewundernd die Stirn in Falten, und er schwenkte den Kopf wie der Eisbär im Zoo.
    Dorle umklammerte die Lenkstange ihres Rollers. Ihre Handflächen schwitzten. Auf einmal sauste sie los! Sie mußte Peter einholen! Und dann wollte sie mal Heinos Gesicht sehen! Sie würde es denen beweisen!
    Die Kinder an der Straßenecke schrien begeistert durcheinander. Heino guckte auf eine alte Taschenuhr, die er stets bei sich trug. Die Uhr ging aber nicht.
    Weit holte Dorle mit dem linken Bein Schwung, legte sich mit der Brust über die Lenkstange und strampelte drauflos, als gelte es ihr Leben. Ihre Haare flatterten lustig. Die Straßenbäume huschten vorbei.
    Und trotz aller Anstrengungen konnte sie den Abstand zu Peter nicht verkürzen! Nein! Immer größer wurde sein Vorsprung! Hinter ihr klang das Johlen der Kinder. Die lachten sie wohl schon aus?
    Dorle mühte sich mächtig ab.
    Ihr Bein schnellte hin und her wie der Pendel einer Kuckucksuhr. Vergebens! Mit ihrer alten Karre konnte sie es eben nicht schaffen. Sie hielt an, indem sie den Absatz gegen das Hinterrad preßte. Es quietschte laut, und der Roller rutschte zur Seite.
    Peter wendete an der HO-Fleischerei und kam zurück. Sein Gesicht strahlte.
    Dorle zog die Augenbrauen zusammen. Sie konnte es einfach nicht ertragen, die Freude des Jungen zu sehen, der jetzt in tollem Tempo näher kam. Ganz heiß war ihr vor Neid! Na, der sollte sich nicht mehr lange freuen, dieser dumme Angeber!

Unfall
    Dorle fuhr eilig in eine Toreinfahrt und lehnte sich auf die Lenkstange, als sei sie erschöpft. Dabei lauerte sie gespannt auf die Straße.
    Schon hörte sie Peters Trampeln und das helle „Pingling-pink“ der Rollerklingel. Noch zögerte Dorle. Doch
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