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Die Geschichte vom neidischen Dorle

Titel: Die Geschichte vom neidischen Dorle
Autoren: Hans Günter Krack
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unbedingt Walnüsse darin knacken wollen. Das „Küchenwunder“ machte aber so etwas nicht mit. Doch Frau Klöhner war nie schlechter Laune. Wenigstens merkte man

    ihr selten etwas Ähnliches an. Ihre vollen Lippen waren gespitzt, als wollte sie pfeifen. Dabei war es bestimmt nicht gerade leicht, mit dem widerspenstigen Teig fertigzuwerden. Vielleicht dachte sie gerade nicht daran, daß ihre Küchenmaschine die ganze Arbeit mühelos in fünf Minuten geschafft hätte.
    Das Küchenfenster stand offen. Als Dorle die Tür öffnete, wehten die buntgestreiften Vorhänge vor dem Fenster.
    „Du, Mutti“, begann Dorle und ließ sich nichts von dem Ärger über Traudes neues Kleid anmerken. „Soll ich dir rühren helfen?“
    „Schöne Helferin! Kommt, wenn ich gleich fertig bin!“
    Dorle schielte begehrlich nach der halboffenen Rosinentüte, die auf dem Tisch neben der Quarkschüssel lag. Rosinen aß sie für ihr Leben gern. Rosinen, süße Mandeln und gefüllte Bonbons. „Vielleicht soll ich dir Rosinen aussuchen?“ meinte sie. „Es sind manchmal schlechte dazwischen . . .“
    Schon zog sie die Tüte zu sich heran.
    „Die schlechten muß man in den Mund stecken, meinst du?“ Die Mutter lachte gutmütig und gab Dorle ein paar Rosinen aus der Tüte. Dann zog sie den Rührlöffel aus dem Teig und kratzte ihn mit einem Messer ab. Sie nahm es dabei nicht besonders genau.
    Dorle griff nach dem Löffel, um ihn abzulecken. Sie machte das mit dem Finger. Da ging der süße Backpulverteig besser ab. Während sie den Finger flink zwischen Löffel und Mund hin- und hergehen ließ, sagte sie: „Mutti — Traude war da.“ „Aha! Ich dachte mir’s schon, als es so stürmisch klingelte.“ Die Mutter nahm die Quarkschüssel vor. Sie schüttete Zucker über den Quark, tat Rosinen und einige andere Zutaten hinein, schlug vier Eier am Rande der Schüssel auf und verrührte dann alles miteinander. „Ist Traude schon wieder gegangen?“ fragte sie.
    „Ja“, entgegnete Dorle zögernd und legte den Löffel in die Spülschüssel, die unter der Wasserleitung stand. „Sie mußte noch Schularbeiten machen.“
    Der Quark ließ sich viel müheloser rühren als der Kuchenteig. Es duftete verlockend. Dorle lief das Wasser im Munde zusammen.
    Von der Straße klangen die Stimmen spielender Kinder durchs Fenster.
    „Hat dir Traudes Kleid gefallen?“ Frau Klöhner wußte schon Bescheid. Dorle hatte ihr beim Mittagessen erzählt, daß ihre Freundin ein neues Kleid bekam, Dorle ahnte aber nicht, wie gespannt ihre Mutti auf das war, was sie von Traudes „Neuem“ sagen würde.
    Es war nämlich so, daß Frau Klöhner die Sache mit Monikas Puppe einfach nicht vergessen konnte. Es gab auch sonst noch einige Kleinigkeiten, deren sich Dorle schon längst nicht mehr erinnerte. Frau Klöhner ließ aber ihr gutes Gedächtnis nicht im Stich. Sie entsann sich noch sehr gut auf Dorles Gebettel, als sie ein neues Federkästchen haben wollte. So eins, wie der Heino Ruppig besaß, mit dem Dorle in die gleiche Klasse ging. Und ihren Schulranzen hatte Dorle eines Tages auch nicht mehr tragen wollen, nur, weil ein Mädchen aus ihrer Klasse sich mit einer Aktentasche herumschleppte.
    Ja, ja, Mutti mußte oft an diese Dinge denken. Sie hatte schon mit Dorles Vater darüber gesprochen. Aber der meinte, das wäre nur in den ersten beiden Schuljahren so. Ihm sei es auch nicht anders ergangen, als er ein Junge war. Ob er recht behielt?
    Früher war Dorle mit ihrem Spielzeug ganz zufrieden gewesen. Sie hatte nicht daran gedacht, neidisch nach dem Eigentum anderer zu trachten. Nur selten sagte sie: Ich möchte das haben, weil Traude es auch hat.
    Damals dachte Frau Klöhner stets: Das machen alle Kinder so!

Will ich auch haben
    Die Mutter war also wirklich gespannt auf Dorles Antwort. Dorle zögerte auch nicht lange und legte gleich los: „Weißt du, Mutti, es ist ein sehr schönes Kleid. Mit bunten Herzen darauf und weißen Knöpfen und weißem Kragen. Aber das Kleid — das Kleid — das zipfelt hinten ..
    Jetzt schwindelte Dorle nun schon zum zweiten Male. Es fiel ihr gar nicht mehr auf. Hatte Traudes Kleid nicht wirklich gezipfelt? „Das kommt“, erklärte Dorle mit erhobenem Zeigefinger, „das kommt davon, weil Traude so dick ist!“
    „Dick ist sie aber wirklich nicht“, warf Mutti ein. Sie rollte den Kuchenteig auf dem runden Blech aus und drückte ihn mit den Fingern an den Rändern der Form fest.
    „Und sie ist doch dick“, beharrte Dorle
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