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Die Geschichte vom neidischen Dorle

Titel: Die Geschichte vom neidischen Dorle
Autoren: Hans Günter Krack
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plötzlich
    stieß sie sich ab, kurvte auf Peter zu und---
    „Kräng! Klirr — tingting — peng!“
    Dorle schwankte — und stand. Vor ihr lag Peter auf der Straße, unter seinem Roller. Ein paar Glasscherben waren auf dem Pflaster verstreut.
    Der Schreck zuckte Dorle durch die Glieder wie ein elektrischer Schlag. Was hatte sie da angestellt?
    Langsam rappelte Peter sich auf. Schreiend kamen die anderen Kinder angerannt. An der Spitze Heino auf seinem wackeligen, klappernden Roller, am Schluß Gisela. Sie zerrte ihre kleine, jammernde Schwester hinter sich her. Peter stand schon wieder auf den Beinen, als Heino bei ihm anlangte. Peters Kniestrümpfe waren auf die Schuhe gerutscht, und man konnte sehen, daß er sich sein rechtes Knie aufgeschlagen hatte. Es blutete ein bißchen. Und über das linke Schienbein zog sich eine blutige Schramme. Er weinte aber nicht. Gerade das reizte Dorle, obwohl es ihr beinahe schlecht geworden wäre, als sie die Wunden betrachtet hatte.
    „Hab dich mal bloß nicht so mit deinem dämlichen Roller!“

    keifte sie laut, daß es alle hören konnten. „Fährt mir einfach in die Quere mit seiner Kiste!“
    Heino maß Dorle mit einem verächtlichen Blick. Behutsam hob er erst einmal den Roller auf. Er betrachtete die zerschlagene Lampe und die Kratzer auf den glänzenden Schutzblechen mit so trauriger Miene, als sei das Unglück ihm widerfahren.
    Nach dieser Begutachtung schob er Peter den Roller zu und betastete die Knie und die Schienbeine des Jungen wie ein erfahrener Arzt. Er murmelte etwas vor sich hin, wischte mit einem Taschentuch das Blut von der Schramme und schüttelte den Kopf.
    Dann trat er mit einem langen Schritt auf Dorle zu. Ganz dicht blieb er vor ihr stehen. „Absicht, Absicht ist es gewesen!“ schrie er sie an. „Du bist eine ganz gehässige Ziege!“ Die Mädel und Jungen ringsum schrien „bravo“ und „verhaut sie“. Heino verschaffte sich mit einer Handbewegung Ruhe. „Warum hast du das gemacht? Du! Wir haben alles genau beobachtet! Absicht war’s!“
    „Absicht! Jawohl, Absicht!“ schrie es von allen Seiten.
    Drohend runzelte Heino die Stirn und griff nach Dorles Haaren. Doch Dorle wich rechtzeitig zurück. Dabei trat sie Giselas kleiner Schwester auf die Füßchen. Die Kleine schrie kläglich auf. Gisela schimpfte und wischte der Schwester mit einem karierten Schnupftuch die Tränen aus dem Gesicht. Am liebsten wäre Dorle ausgerissen, aber die vielen Kinder umschlossen sie wie eine Mauer. Zornige Gesichter sah sie, vorwurfsvolle und traurige. Wollte denn niemand für sie eintreten?
    „Du gehässige Ziege!“ brüllte Heino noch einmal. Seine Stimme schnappte über dabei.
    Da und dort wurden Fenster geöffnet. Frauen blickten herunter auf die erregte Kinderschar. Ein Mann blieb ein wenig abseits stehen und betrachtete aufmerksam die Jungen und Mädchen, besonders aber Dorle. Niemand achtete auf ihn, obwohl er nahe genug war, um alles mit anhören zu können. Der Mann trug eine schwarze, abgeschabte Ledermappe unter dem Arm. Er schien von der Arbeit zu kommen.
    Peter schimpfte wie ein Rohrspatz. Immer wieder wollte er sich auf Dorle stürzen, um für den Unfall Rache zu nehmen. Aber Heino hielt ihn an den Schultern zurück.
    „Du, ich will dir mal was sagen!“ Heino sah Dorle fest an. „Erschrick nur nicht! Ich werd’ mir an dir die Finger nicht dreckig machen. Du hast das mit Absicht getan, ob du’s zugibst oder nicht. Du bist auf Peters Roller neidisch. Zu Weihnachten warst du ganz verrückt nach Monikas Puppe. Monika hat mir’s erzählt. Mit dir will ja schon niemand mehr spielen. Du — du — du Neidhammel! Hau bloß ab! In der ganzen Klasse werde ich’s erzählen, was du für eine bist!“
    Wie auf Befehl liefen die Kinder davon. Sie schimpften und lachten durcheinander. Auf einmal stand Dorle allein und verlassen auf der Straße. „Neidhammel!“ schrie Peter von weitem und kurvte schon wieder auf seinem Roller herum. Nur ein paar Glasscherben auf der Straße verrieten, daß etwas Außergewöhnliches vorgefallen war.
    Geschieht ihm recht, daß seine Lampe kaputt ist, dachte Dorle trotzig. Es war ihr aber nicht sehr wohl bei diesem Gedanken. Langsam fuhr sie nach Hause.
    Vor der Haustür stand Traude in ihrem neuen Kleid und blickte Dorle vorwurfsvoll an. Dorle drängte sich mit dem Roller an ihr vorbei.
    „Schön war’s nicht von dir“, sagte Traude leise. Dann rannte sie auf die Straße, zu den anderen Kindern.
    Traude Neumann hatte
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