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Die Geschichte einer Kontra-Oktove

Die Geschichte einer Kontra-Oktove

Titel: Die Geschichte einer Kontra-Oktove
Autoren: Boris Pasternak
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sich diese dämmernde Kolonnade auf die Reisenden zu, und es gab keine Lampe, die sie zwischen sich und diese Kolonnade hätten stellen können.
    Draußen tobte der Regen. Die mit rauschenden Kastanien bepflanzte Poststraße schleppte dieses lärmende, prunkvolle Gewand durch den brausenden Sommerregen, bog in vollem Lauf jäh ab, direkt auf den Posthof zu, seine sieben Meilen lange Schleppe schlug mit voller Wucht an die Fensterscheiben des leeren Saales. Und wenn der Blitz aufzuckte, erzitterten alle Adern und Risse in den graumarmorierten Wänden wie die Schenkel eines galvanisierten Frosches … Und wenn der Blitz zuckt, schimmern die Fenster, und den geäderten Himmel durchziehen trübe, schwarze Bäche; Kalkmilch fließt aus ihm, und wie Seifenlauge aus Zubern schwappend, spülen – einander jagend – Wogen von Spülicht ihn ab.
    Den Sechsen hüpfen bei jedem himmlischen Feuerstoß ihre bleichen Gesichter aus den Kragen. Bei dem Mann in der Perücke und Reitstiefeln. Bei den Hochzeitsreisenden
    . . . . . . . . . . . .
    Und der Regen prasselte mit verdoppelter Kraf. Johlend stopfe er sich Laub in den Schlund, und die Blätter, die er überschwemmte, ertranken in seinem Geheul. Rauschend und verschwenderisch wie Götzendienst war das Spektakel der draußen tobenden Elemente. Trotzdem, als gegen das Tor der Posthalterei das Dröhnen des Steins polterte, unterschieden die sechs Reisenden diesen Klang deutlich vom Donner, in dessen Abschiedsgrollen sich verwirrend und wieder herauslösend, die schallende Anstrengung von zwölf hammerschweren Hufeisen drang.
    (Hier folgt der nicht erhalten gebliebene zweite Abschnitt des ersten Kapitels. Möglicherweise hat der Autor ihn bei einer Überarbeitung des Manuskripts eliminiert. Vermutlich enthielt er die Schilderung folgender Episode: der Blitz erschlägt das Pferd einer Kutsche bei der Einfahrt in den Hof der Poststation. Die Insassen, ein junger Aristokrat mit seinem alten Erzieher blieben wie durch ein Wunder unversehrt. Die Episode endet damit, daß die Reisenden beschließen, in der Stadt zu übernachten. Ein Pferdeknecht begleitet sie zum Gasthof. Der junge Adelige und sein Erzieher bilden die Spitze des Zuges.)

    Die anderen unterhielten sich darüber, daß sie nun bald zur Ruhe kommen und ein trockenes Bett haben würden. Sie sprachen mit diesem Vorgeschmack des Behagens im Ton, das sich in zaghafer Skepsis noch nicht voll zu entfalten wagt, mit jener Vorsicht, mit der man im Dunkeln seine Füße auf nasse Pflastersteine setzt, um nicht an etwas zu stoßen oder auf etwas Lebendiges zu treten. Die leicht schaukelnde Laterne des Pferdeknechts zerschlug die Dunkelheit in schroffe Klumpen, ohne sie aufzuhellen.
    Die anderen unterhielten sich auch über die wunderbare
    . . . . . . . . . . . .
    (Fügung), die den Blitz von den beiden Reisenden abgelenkt hatte, (… und) da wandte der junge Mensch, der Hand in Hand mit dem Greis hinter dem Pferdeknecht ging, den Kopf, ließ den Blick über den kleinen Zug gleiten, ohne ihn auf jemanden zu richten – die Reisenden, schon bei Tage herzlich wenig von einander unterschieden, waren nun völlig in einen nassen Fleck zusammengeschmolzen – und indem er den Schritt verhielt, dabei die anderen nötigend, ihm auf die Fersen zu treten, äußerte er ein paar höfliche Worte. Sie unterhielten sich, indem sie sich die Freiheit herausnahmen, in Gegenwart eines (hohen Herren), selbst den Gesprächsstoff zu wählen, sie lobten auch die Schönheit des Städtchens und die Großartigkeit der Nacht, frischer als ein gebadeter Spatz das Grün der Bäume lobt.

    »Sagen Sie«, wandte sich der Alte an den Hausknecht, »ist hier noch – äh – sagen Sie, wer ist der Wirt des Gasthofs?«
    »Würzenau«, erwiderte der Knecht, »kennen Sie ihn?« »Nein, nein. Aber ich – man hat mir erzählt – ich dachte, er hieße Markus.«
    »Markus?« griff der Knecht auf. »Ja, das war der vorige Wirt, er starb … vor neun oder zehn Jahren, warten Sie, ja, vor zehn Jahren – damals als die Franzosen – das war ein furchtbar heißer Tag, Sommer – ich erinnere mich dran, wie grade gewesen. Es war staubig, windig – dann drückte die Hitze auf den Wind, der läßt nach, legt sich, die Bäume wie tot – man hört paff-paff, Waffenklirren von Kronwerk rüber, naja, Sie kennen sowas nicht, so ein zähes Scharren, so wie über den Hauklotz, wie Schelten nach dem Mittagessen. Es war auch gar nicht schrecklich, eben so ähnlich wie nebenan in der
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