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Die Geschichte einer Kontra-Oktove

Die Geschichte einer Kontra-Oktove

Titel: Die Geschichte einer Kontra-Oktove
Autoren: Boris Pasternak
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Küche: Schritte rein und raus, Fleisch wird gehackt, Töpfe werden gescheuert. Mittag, kein Mensch auf der Straße, nur der Wind war irgendwie schrecklich, und sehr heiß war es auch. Auf einmal hört der Wind auf, und plötzlich ist Pulvergeruch da, bitter in der Luf, kitzelt in der Nase und ganz deutlich: Paff-paff
    . . . . . . . . . . . .
    das hatte alles mit dem Wind zu tun, der kam ja von da rüber; jetzt weiß ich das genau, damals verstand ich nichts, war noch klein, neun Jahre. Die ganze Stadt wie ausgestorben. Ja also, wovon sprach ich doch – ach ja, Markus. Sehen Sie, und grade an dem Morgen hatte man ihn beerdigt, abends waren dann die Franzosen da, einen Monat lang regierten sie im Gasthof, danach kam dann Würzenau …« »Wie gut er erzählt, Georg.«
    »Gut? Erstaunlich wirklich. Vollkommen ohne Zusammenhang. Und dieser Stil!«
    »Was belieben?« »Nichts. Erzähl weiter.«
    »Würzenau machte dann alles neu. – Was ist, Herr, was gucken Sie so auf das Haus da? Sie waren wohl doch schon mal hier? Sie haben sich ja auch an den alten Markus erinnert, nicht?« Der Alte antwortete nicht. Er kämpfe gegen eine Erregung, die ihn vorwärts riß, auf die andere Straßenseite. Diese Erregung richtete sich auf etwas, das sich jenseits des von der Laterne gelblich beleuchteten Streifens befinden mußte. Und als sich in diesen hellen Streifen plötzlich ohne Warnung der riesige, hochaufgetürmte, unversehrte Sockel der gotischen Kirche hereinschob, das gelbe Pflaster durchschwimmend, durchwatend, mit Brust und Kuppel in die Nacht gehüllt, als, sage ich, … (die Kirche) ihren Gang durch den gelben Lichtstreifen vollzog, … verhielt sich der Alte wunderlich: er stieß einen lauten und trockenen Ton aus der Kehle. Dieser Laut, der sich ihm gegen seinen Willen entrissen hatte, wäre einem Lachen ähnlich gewesen, hatte er durch seine Kürze nicht eher an ein Zungenschnalzen oder ein nicht unterdrücktes Aufstoßen erinnert. Dann blieb der alte Mann stehen, hatte offenbar beschlossen, unbedingt an dieser Stelle sich die Nase zu putzen, und zog aus seinem altmodischen Überrock sein Taschentuch. Auf halbem Wege zwischen Rockschoß
    und Nase öffnete sich seine Hand in der Luf, und
das Tuch fiel auf die Erde.
»Auf-he-ben«, tönten knöchern auseinander fal-
lende Silben.
    Der Pferdeknecht stellte die Laterne ab, nahm das Tuch auf, gab es dem Alten und betrachtete ihn verwundert. »Was ist denn mit Ihnen los?« Aber der alte Mann hatte schon seine Stiefelsohle von dem magnetischen Pflasterstein losgerissen, stampfe auf, stampfe noch einmal, und die Prozession zog weiter.
    »Um Gottes Willen, was ist los? Der Unfall mit dem Pferd? Hat Sie das so erschreckt? Beruhigen Sie sich. Denken Sie nicht mehr daran. Denken Sie an etwas anderes. Lassen Sie uns von Fröhlicherem sprechen. Sie haben ja dem Knecht noch nicht geantwortet, woher Sie Markus kennen, den man bei Küchengeklapper beerdigte, am heißen Sommertag, im schrecklichen Wind. Nein, im Ernst, lachen Sie nicht, bitte«, sagte (der Jüngling) zu dem alten Mann, der die Worte seines Zöglings gar nicht gehört hatte und sich bewegte, als koste ihn jeder Schritt eine bewußte Willensanstrengung und werde mit genau überlegter Absicht getan. Der Jüng(ling) rüttelte seinen Arm:
    »Kommen Sie doch zu sich! Sie waren schon ein-
mal hier? Ja?«
»Wer? – Ich? – Hier? – ja.«
    »Ach so, das hatte ich nicht gewußt. Aber warum wollten Sie dann vorhin, als das Gewitter aufzog, unter gar keinen Umständen hier die Reise unterbrechen?«
    . . . . . . . . . . . .
    Die Erregung riß den Alten vorwärts. Sie erlosch erst in dem Augenblick, als ihr Führer sich nach links wandte, nachdem er seine Laterne in breitem Streifen die dunkle Straßenkreuzung in weitem Bogen hatte ablecken lassen. Da wurde der Alte etwas ruhiger, seine Erregung war ihm irgendwie abhanden gekommen beim Aufscheinen des Gasthofs (»…«). Sie erreichten die Ecke Elisabethstraße-Marktstraße.
    . . . . . . . . . . . .
    »Eijeijei! Der Gasthof ist ja voll!« stieß der Pferdeknecht ärgerlich aus, als am Ende der Straße, die abschüssig zum Fluß hinabführte, sich das alterskrumme und düstere Gebäude zeigte, dessen sämtliche Fenster erleuchtet waren. »Da, sehen Sie, überall Licht. Wir haben morgen Kirmes, da kommen die Leute von weit her. Jetzt werden Sie den Weg wohl alleine finden. Ich dreh nun um, geh heim. Gute Nacht, verehrte Herrschafen.«
    Nachdem er sich tief und ehrerbietig vor
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