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Die Germanin

Titel: Die Germanin
Autoren: Robert Gordian
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Männer waren am Eingang der Höhle aufgetaucht. Sie waren den kurzen, steilen Weg aus dem Tal heraufgestiegen und noch ein wenig außer Atem. Brun, dessen Haar fast ergraut, aber auch jetzt mit Butter gefettet war, hatte ein Festgewand mit gestickten Borten angelegt, seine Hosenbeine mit blauen Wadenbändern umwickelt und sich mit Armringen und einer silbernen Gürtelschnalle geschmückt. Der zweite Mann, gebeugt und weißhaarig, war der Grammaticus Priscus, ein Grieche von Geburt, den Segestes vor einigen Jahren zur Unterrichtung seines Sohnes aus Mogontiacum mitgebracht hatte. Er trug nur eine einfache, schon recht fadenscheinige Tunika, schleppte Buchrollen und eine Wachstafel mit sich und ließ sich erschöpft auf den Boden fallen.
    Brun, der eine wichtige Nachricht zu überbringen hatte, pflanzte sich vor Segestes auf, reckte seine spitze Nase und verkündete: »Du wirst dringend erwartet, Schwager! Die ersten Gäste sind eingetroffen. Du musst sie begrüßen!«
    Der hochgewachsene Segestes sprang so rasch und unbedacht auf, dass er gerade noch verhindern konnte, seinen Kopf an der niedrigen Wölbung des Höhleneingangs zu stoßen.
    »Wie? Tiberius selbst? Aber er ließ mir melden, dass er erst in ein paar Tagen…«
    »Es ist nicht Tiberius, aber auch ein wichtiger Gast.«
    »Wer denn?«
    »Dein Vetter Segimer.«
    »Ah, der«, Segestes seufzte, ließ sich wieder an der Höhlenwand nieder und schlug ärgerlich nach einer Mücke an seinem Hals. »Er soll warten. Warum störst du mich seinetwegen? Ich habe mich zurückgezogen, um in Ruhe etwas mit meiner Tochter zu besprechen. Außerdem ist er nicht mein Vetter. Wie oft soll ich dir das noch erklären? Seine Sippe ist nur entfernt mit der unseren verwandt. Er ist ein Großneffe meiner Urgroßmutter, ihre Schwester wurde mit einem von denen verheiratet.«
    »Er ist mit großem Gefolge gekommen«, sagte Brun. »Sogar mit einer römischen Truppe. Es sind fast fünfzig Mann. Hoffentlich fressen die nicht alles kahl, bevor das Fest überhaupt beginnt. Ich als Ordner des Festes mache mir Sorgen.«
    »Er wird von einer römischen Truppe begleitet?«, fragte Segestes mit ungläubiger Miene.
    »So ist es.« Brun genoss die Verblüffung des Schwagers. »Fünfzig Mann von den Auxilien, viele Cherusker, aber auch Chatten und Hermunduren. Wie das blinkt und blitzt: die Helme, Schilde und Lanzen. Den Frauen und Jungfrauen fallen die Augen heraus. Eine stramme Truppe, das muss man sagen. Weißt du, wer sie befehligt?«
    »Wer?«
    »Der älteste Sohn von Segimer.«
    »Was?«
    »Er ist es. Er kommt aus Noricum oder Pannonien. Jetzt leistet er Dienst in der Rhenus-Armee.«
    »Ist es wirklich der… der… wie war sein Name?«
    »Segifrit. Aber er nennt sich jetzt anders. Als ich ihn ansprach, bat er mich, ihn nur bei seinem neuen Namen zu nennen. Den haben ihm seine Vorgesetzten gegeben, weil sie ihn besser aussprechen können.«
    »Und?«
    »Arminius.«
    »Arminius? Einen solchen Namen hab ich noch nie gehört. Arminius«, wiederholte Segestes verdrossen.
    »Vielleicht kann Priscus erklären, was der Name bedeutet«, warf Nelda vorsichtig ein. »Er weiß doch alles.«
    »Oh, ich bedaure«, sagte der alte Gelehrte verlegen lächelnd, als wollte er sich entschuldigen. »Auch ich weiß von niemandem, der je diesen Namen getragen hat. Arminius? Vielleicht Armenius… jemand, der in Armenien mit Auszeichnung diente.«
    »Lassen wir das«, unterbrach ihn Segestes unwirsch. »Er ist also zurück. Gehört er zum Gefolge des Statthalters? Warum ist er dann aber schon hier?«
    »Er gehört zum Gefolge«, sagte Brun mit wichtiger Miene. Sein mächtiger Schwager herrschte ihn häufig grob an und hörte ihm nie zu. Jetzt genoss er es, ihm etwas erklären zu können. »Er ist mit seinem Trupp gewissermaßen die Vorhut. Tiberius hatte ihm erlaubt, seine Eltern zu besuchen. Da sich sein Vater Segimer wegen der Verträge hierher begeben muss, begleitete ihn Arminius mit seinen Leuten. Er wird aber wieder abziehen, hoffentlich heute noch. Unten im Tal soll er ein Lager errichten und alles vorbereiten für die Ankunft des Feldherrn. Und dann wird er ihm in den Krieg gegen die Semnonen folgen. Habe ich schon erwähnt, dass auch sein jüngerer Bruder dabei ist? Der hat auch schon einen Rang und ebenfalls seinen Namen geändert, sie rufen ihn einfach nur ›Flavus‹, den Blonden. Segimer ist mächtig stolz auf die beiden. Ich muss sagen, er hat Grund dazu. Es sind stattliche Burschen, besonders der
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