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Die Germanin

Titel: Die Germanin
Autoren: Robert Gordian
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halb spöttisch. »Wir werden gut daran tun, unsere Wälle und Zäune zu erneuern.«
    »Seid unbesorgt«, sagte der Tribun. »Wir kommen wieder und wir bleiben. Gibt es hier wirklich Leute, die glauben, das alles sei nur eine Übung, um die Legionen zu beschäftigen? Haben wir eine Flotte gebaut, damit wir über das Nordmeer in eure Flüsse einlaufen können? Haben wir einen Kanal gegraben, damit der Weg vom Rhenus zum Nordmeer verkürzt wird? Haben wir Straßen durch eure Wälder gezogen, Brücken geschlagen, Kastelle angelegt? Könnt ihr euch vorstellen, was das den römischen Staat gekostet hat? Glaubt ihr, dass der Caesar Augustus und der Senat das alles nur zum Vergnügen tun?«
    Der Tribun, in Schwung geraten, wollte gerade weiter ausholen und den Germanenführern die Ziele der römischen Politik erläutern, als er unterbrochen wurde.
    Der Befehlshaber der Torwache trat ein und sah sich um: »Heißt hier einer Segestes? Gibt es hier einen Mann, der Segestes heißt?«
    »Den gibt es«, sagte der lange Cherusker und reckte den Hals. »Was willst du von mir?«
    »Es ist jemand mit einer Botschaft für dich gekommen.«
    »Wer ist es?«
    »Weiß ich nicht. Frag ihn selbst. Er steht am Lagertor. Da ist er ja schon! Was fällt dir ein, Kerl? Ich hab dir befohlen, dort zu warten!«
    Gleich hinter dem Torwächter war ein flinkes, spitznasiges Männlein im kurzen Wollkittel hereingekommen. Frech drängte es sich zu Segestes durch. Seine mit Butter gefetteten Haare strömten einen so scharfen, ranzigen Geruch aus, dass sich die Offiziere naserümpfend abwandten.
    »Na, was bringst du mir, Brun?«, fragte Segestes, wobei er die Augen weit aufriss und die Arme vorstreckte, als wollte er etwas Wertvolles in Empfang nehmen. »Ist es so weit?«
    »Es ist so weit!«, sprudelte das Männlein hervor, ohne sich um den Rüffel des Wächters zu kümmern. »Preise dich glücklich, Schwager, und danke den Göttern… vor allem Frija, Wodans Gemahlin, der Hüterin des Herdes, Beschützerin der Gebärenden…«
    »Und? Und?«
    »Sie hat meiner teuren Schwester die Gnade einer leichten Geburt gewährt. Deine Frau Male ist wohlauf! Sie steht schon wieder am Webstuhl.«
    »Das freut mich«, sagte Segestes ungeduldig. »Und er?«
    »Er?«
    »Mein Sohn!«
    »Dein Sohn? Oh, der hat sich beim Spielen mit einem Pfeil in den Finger geschnitten.«
    »Du Tölpel, ich meine den Neugeborenen!«
    »Du meinst das Kind, das dir Male geboren hat?«
    »Ist er gesund? Ist er kräftig? Schreit er?«
    »Es schreit. Aber es ist kein Sohn.«
    »Kein Sohn?«
    »Du hast eine Tochter, Segestes.«
    »Eine Tochter…?«
    Der lange Cheruskerfürst beugte sich vor, als hätte er sich verhört. Einen Augenblick lang schwieg er betroffen, dann versetzte er Brun einen Schlag mit dem Handrücken.
    »Du lügst doch! Spielst den Narren. Willst mich foppen!«
    »Aber warum? Warum schlägst du mich? Ich sage die Wahrheit!«
    »Die Seherin hat mir versichert, dass es ein Sohn wird. Und so muss es doch einer sein!«
    »Wir dachten ja auch erst, es würde einer.«
    »Was soll das heißen?«
    »Nun… als es den Kopf heraussteckte, aus der dunklen Höhle des Mutterleibs, so einen dicken roten Kopf… da schrien wir alle: ›Ein Junge! Ein Junge!‹ Aber dann… als es ganz heraus war… es kam schnell und leicht, Frija sei nochmals Dank… da ließ es sich nicht mehr verbergen… Es war nur… war leider ein Mädchen. Wir ahnten schon, dass du enttäuscht und zornig sein würdest.«
    »Das verstehe ich nicht… nein, ich verstehe es nicht«, murmelte Segestes und blickte sich um, als suchte er jemanden, der ihm dieses Unglück erklärte.
    »Was gibt es daran nicht zu verstehen?«, fragte Segimer, der seine Genugtuung kaum verbergen konnte. »Du hast eben nur eine Tochter gezeugt. Das ist alles. Finde dich damit ab.«
    Der rasche Wortwechsel war auf Diutisk, der Sprache der germanischen Stämme, geführt worden. Caecina übersetzte ihn dem Tribunen und den anderen Offizieren. Die Herren tauschten Blicke und lachten lautlos.
    »Was ist nun, Segestes?«, fragte Brun. »Wirst du gleich mitkommen und deine Tochter vom Boden aufheben, damit sie ein Mitglied der Sippe wird?«
    »Ich habe jetzt keine Zeit«, war die knurrige Antwort.
    »Es ist aber notwendig. Wie steht meine Schwester da, wenn du das Kind nicht gleich aufhebst!«
    »Vielleicht will er es nicht anerkennen«, stichelte Segimer und zwinkerte in die Runde. »Vielleicht will er es aussetzen.«
    »Das habe ich nicht
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