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Die geraubte Braut

Die geraubte Braut

Titel: Die geraubte Braut
Autoren: Jane Feather
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kraftlosen Fingern entglitt. Nun kämpfte Rufus auf Leben und Tod, doch er kämpfte nur mehr für die Männer, die diesem Banner folgten, für Männer, die sein Leben als Geächteter geteilt und seinen Kampf zu ihrem gemacht hatten. Er hatte sie zu seinem Nutzen in diesen Kampf gezogen, und nun schuldete er ihnen allen – den Lebenden wie den Toten – den endgültigen Sieg des Hauses Rothbury.
    Er galoppierte ins dichteste Getümmel hinein. Standen ihm die Feinde des Königs im Weg, hieb er sie nieder. Wo Hilfe not tat, griff er ein, und war doch ständig auf der Suche. Er ritt durch das Gemetzel wie besessen und als wäre er gegen alles gefeit. Musketenschüsse pfiffen an ihm vorüber, Schwerter verfehlten ihn so knapp, dass er den Luftzug im Haar spürte, doch er und Ajax kämpften sich durch den aufgewühlten Schlamm und das Blut des Schlachtfeldes, bis Rufus schließlich das Banner das Hauses Granville vor sich sah.
    Und er entdeckte auf einem grauen Hengst Cato, Marquis of Granville, der seine Männer mit lauten, triumphierenden Rufen um sich scharte, aufrecht in den Bügeln stehend, als er sie zu dem endgültigen Vorstoß anfeuerte, der die Armee des Königs ein für allemal in die Knie zwingen würde.
    »Auf diesem Schlachtfeld von Marston Moor geht es um die Rechte des aufrechten englischen Landmannes!« Catos Stimme steigerte sich zu höchster Überzeugungskraft, und seine Männer, die auf den Satz mit lautem Gebrüll reagierten, warfen sich den ungeordneten Reihen der feindlichen Streitmacht entgegen, ihnen voraus Cato auf seinem Grauen. Rufus versperrte ihm gezielt den Weg.
    Es folgte ein kurzer Moment der Verwirrung. Dann klärte sich Catos Blick, er zügelte sein Pferd, und die zwei Männer standen einander inmitten eines mörderischen Aufruhrs gegenüber, dessen Getöse sie beide wie von weitem hörten.
    »Nun denn, Decatur«, sagte Cato in die Stille, die sie umgab wie ein magischer Schutzwall.
    »Granville.«
    Der knappe Gruß genügte-. Rufus wendete Ajax und entfernte sich vom Kampfgeschehen. Cato folgte ihm. Beide Männer waren entschlossen, die persönliche Fehde, die seit Kindertagen ihr Leben, ihre Entscheidungen, ihre Gefühle bestimmt hatte, hier und jetzt auszukämpfen.
    Sie erreichten einen Bereich des Feldes, auf dem noch vor einer Stunde der Kampf getobt hatte. In unausgesprochenem beiderseitigen Einverständnis zügelten sie ihre Pferde und saßen ab.
    Rufus rammte das Decatur-Banner ins weiche Erdreich und nahm Helm und Brustpanzer ab. Cato entledigte sich seiner Rüstung, so dass sie sich in Breeches und Lederwams gegenüberstanden.
    »Schwerter?« fragte Cato höflich. »Oder Schwerter und Dolche?«
    »Das ist einerlei«, entgegnete Rufus mit ähnlich distanzierter Höflichkeit.
    »Dann nur Schwerter«, entschied Cato. Er zog einen Dolch aus dem Gürtel und warf ihn zu Boden.
    Rufus folgte seinem Beispiel, um dann sein Schwert zu ziehen. Sie nahmen einander gegenüber Aufstellung.
    Portia wusste nicht, warum sie ausgerechnet in diesem Moment von ihrem Ausguck herunterkletterte, da sie sich von Instinkten und Vorahnungen leiten ließ, die sie nicht in Frage stellte. Sie wusste nur, dass die Schlacht für den König verloren war. Es war kein bedeutungsloser Verlust, keine Bagatelle, sondern eine vernichtende Niederlage, die der Sache des Königs im Norden, wenn nicht gar im ganzen Land ein Ende bereiten würde.
    Irgendwo auf diesem Feld des Blutes würde sie Rufus tot oder lebendig finden. War er tot, dann wollte sie seinen Leichnam bergen. Zu einer Versöhnung war es nicht gekommen, doch sie würde seinen Leichnam finden und so gut es ging Frieden mit seiner Seele machen. Sie hatte einmal seine Liebe besessen. Und nun trug sie einen Teil von ihm in sich.
    Portia betrat das Schlachtfeld von Marston Moor. Der Abendstern war blass, aber sichtbar. Der Himmel im Westen leuchtete rot. Sie folgte unbeirrt ihrem Weg zwischen Toten und halb Lebenden hindurch sowie verzweifelten Gruppen, die noch kämpften, als wäre sie ein Gespenst, unsichtbar und unverwundbar. Sie hörte nicht die Schreie, nicht das Gewimmer, nicht das schrille jammern von Verwundeten, nicht das grausige Schreien verendender Pferde. Sie roch das Blut nicht, spürte nicht die durchnässte Erde unter ihren Füßen. Sie ging, bis sie das Banner Decaturs im Wind flattern sah.
    Sie hörte Schwert auf Schwert. In der unheimlichen Stille der Dämmerung gab es zunächst nur dieses Geräusch. Dann erst hörte Portia die Atemzüge der
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