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Die geprügelte Generation

Die geprügelte Generation

Titel: Die geprügelte Generation
Autoren: Ingrid Müller-Münch
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angezeigten Kindesmisshandlungen in den vergangenen fünf Jahren kontinuierlich. 2009 waren es 4 080 Fälle, bei denen bis zu 14-jährige Jungen und Mädchen Opfer von Misshandlungen wurden. 2005 waren es 3 360. »Da in diesem Zeitraum die Zahl der Kinder weiter zurückging, ist die Zahl der wirklich gefährdeten Jungen und Mädchen sogar um 29 % gestiegen«, so der Abteilungspräsident des Kriminalistischen Instituts des BKA, Carl-Ernst Brisach, vor Journalisten. Zudem würde viele Fälle gar nicht bekannt. Die tatsächliche Zahl der Misshandlungen von Kindern ist nach Expertenangaben nicht seriös verifizierbar, liegt jedoch weitaus höher.
    Deutsche Jugendämter haben 2010 mehr Kinder und Jugendliche aus ihren Familien herausgenommen als im Jahr zuvor. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden im Juli 2011 mitteilte, stieg diese Zahl im Vergleich zu 2009 um acht Prozent, damit um 2 600 Fälle auf 36   300 Kinder und Jugendliche. Innerhalb der vergangenen fünf Jahre erhöhte sich die Zahl der Inobhutnahmen um 42 Prozent, hieß es am 13. Juli 2011 in einer Meldung von »stern.de«. Kinder und Jugendliche werden immer dann in Obhut genommen, wenn sie in ihrem Elternhaus verwahrlost, missbraucht oder einfach nicht versorgt werden. Viele Eltern seienüberfordert, hieß es, oft sind Beziehungsprobleme der Grund. In jedem zehnten Fall werden Kinder vernachlässigt. Wie dpa ergänzend berichtete, sind diese Zahlen auch ein Zeichen dafür, dass Verwandte und Nachbarn häufiger als früher Jugendämter auf problematische Situationen innerhalb der Familien aufmerksam machten. Die Leiterin des Frankfurter Jugend- und Sozialamtes wird in dem Zusammenhang mit der Einschätzung zitiert: »Das ist eine positive Entwicklung. In unserer Gesellschaft wird wieder mehr aufeinander geachtet, insbesondere auf die Lage von Kindern.«
    Super-Nanny und Eltern-Magazine
    Trotz einer Ratgeberschwemme auf dem Büchermarkt, in Zeitschriften, im Fernsehen – das Prügeln und Misshandeln von Kindern durch ihre Eltern ist nicht aus dem Erziehungsalltag in diesem Land verschwunden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die das Bundesjustizministerium im Oktober 2005 veröffentlichte, und die die soeben zitierten Zahlen untermauert. Darin heißt es: »Zum Teil kann man dieses Phänomen auf eigene Gewalterfahrungen in der Kindheit, Stress und Überforderung im Alltag zurückführen, aber auch darauf, dass gerade leichte Gewaltformen nicht als Gewalt angesehen werden.«
    Gewaltfreie Erziehung ist nach Angaben des Deutschen Kinderschutzbundes heute für 90 Prozent der deutschen Eltern ein Ideal – allerdings würden lediglich ein Drittel der Eltern wirklich ohne jegliche Gewalt erziehen. Ein Klaps oder eine leichte Ohrfeige gehörten weiterhin bei vielen Eltern zur Disziplinierung ihrer Kinder. Vielfach geht die Gewalt dabei von jenen Menschen aus, denen die Kinder am meisten vertrauen: von Familienangehörigen, Lehrern, Erziehern, beklagte die UN-Sonderbeauftragte für Gewalt gegen Kinder, Marta Santo Pais, 2010 bei der Vorstellung eines Berichts über die weltweite Gewalt gegen Kinder. Dabeikritisierte sie besonders, dass Schläge, Drangsalierungen aber auch sexueller Missbrauch oftmals noch immer gesellschaftlich geduldet würden und für unzählige Kinder zum Alltag gehörten.
    Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass in anderen Ländern ebenfalls noch immer heftig auf Kinder eingedroschen wird: In Frankreich sind es durchschnittlich drei Kinder, die wöchentlich an Misshandlungen sterben. Die »fessée« gehörte stets zur französischen Erziehung und ein Klaps auf den Po – davon sind noch immer die meisten Eltern in unserem Nachbarland überzeugt – habe noch niemandem geschadet. Doch nun scheint es einen Umschwung zu geben. Zumindest die Mitarbeiter in der »Fondation pour l’Enfance« sind davon überzeugt: »Körperliche Gewalt hat noch jedem geschadet.« Die Kinderschutzvereinigung machte im Sommer 2011 mit einer Anti-Prügel-Kampagne von sich reden. Sie hatte ein Anti-Gewalt-Video ins Netz gestellt, der Film wurde auch im Fernsehen ausgestrahlt. Ein Gesetzesvorstoß der UMP-Abgeordneten und Kinderärztin Edwige Antier gegen körperliche Züchtigung von Kindern hat die Diskussion über das Für und Wider in Frankreich weiter angeheizt.
    In den sehr viel größeren USA sterben sogar 27 Kinder wöchentlich an Misshandlungen in ihren Familien. Und weltweit kommen nach Angaben der Kinderhilfsorganisation Unicef jährlich über 50  
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