Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken
Autoren: Giles Foden
Vom Netzwerk:
geschossen«, sagte ich, als ich den Karabiner vom Ausrüstungshaufen vor mir nahm und versuchte, lässig zu wirken. »Aber mit so einem hier noch nie.« In der Waffenkammer roch es nach Kordit, wie nach abgebranntem Feuerwerk und Metall; ich nahm auch schwach den Geruch von Benzin und Butterbrotpapier wahr, der von dem Waffenöl ausging. Ich wusste wirklich nicht, ob ich an diese Gerüche aus meiner Kindheit erinnert werden wollte; aber mit unseren Sinneseindrücken ist es nun mal so, dass sie uns gefangennehmen, sobald wir sie erleben.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Jourdaine, der sich hinkniete und einige Bänder entwirrte, die sich auf dem Haufen verknotet hatten. »Da gibt es keinen großen Unterschied. Aber sag mal, Junge, warum haben sie dich eigentlich für die Sache hier ausgesucht? Ihr müsst doch auch militärisch ausgebildete Beobachter haben, die ganz vorne mit der Infanterie mitgehen.«
    »Ja, schon«, antwortete ich und machte diesem seltsamen Gefühl nationaler Verlegenheit Luft, das, vermischt mit dem widerlichen Gestank der imperialen Erinnerung, die Standardhaltung der nächsten Jahre werden sollte. »Die gibt es bei uns auch. Ein paar. Aber sie sind uns ausgegangen.«
    »Alle weg, was?«, sagte Jourdaine und richtete sich auf. »Das fällt mir bei euch Briten am meisten auf. Irgendwie sind bei euch alle Reserven am Ende. Gut, dass wir gekommen sind, um euch da rauszuholen, was?«
    Ich ignorierte den Spott, der leider doch ziemlich nah an der Wahrheit war, und hörte aufmerksam zu, während er mir den sicheren Umgang mit der Waffe erklärte und mir dann zeigte, wie man sie zerlegte und wieder zusammensetzte. Es war wirklich nicht so anders als das, was mir mein Vater beigebracht hatte, aber Jourdaine warnte mich: »Diese Garands können manchmal Zicken machen, wenn man nicht aufpasst.«
    Nachdem Jourdaine mir die effektive Reichweite des Gewehrs erklärt hatte, nahm er mich mit nach draußen auf die Schießbahn, und ich probierte die Waffe aus. Nach all den Jahren machte es Spaß, einmal wieder zu schießen, und ich traf sogar ziemlich gut. Eigentlich war ich gar nicht viel schlechter als die anderen Schützen neben mir auf der Bahn.
    Jourdaine, der an beiden Oberschenkeln Zigarettenschachteln festgebunden hatte, sagte, dass es sowieso nicht so wichtig sei. »Wir haben genug Fallschirmjäger um uns herum, die das Schießen übernehmen. Wir müssen uns hauptsächlich darum kümmern, dass die Wetterbeobachtungen nach Hause gefunkt werden.«
    Gegen 11.30 Uhr abends stand ich beklommen mit den anderen Schlange, um in die Flotte von Flugzeugen und Lastenseglern einzusteigen. Vor uns warteten gut neunhundert Luftfahrzeuge, und allein in Berkshire gab es drei Invasionsflugplätze.
    Während wir anstanden, servierten uns die Waafs Kaffee und Gebäck. Sie wirkten an diesem Ort seltsam und geisterhaft, elfenbeinfarben im Licht der Signalfeuer des Flugplatzes und zwischen den Abgasschwaden der Lastwagen, die die Truppen gebracht hatten und jetzt wieder abfuhren. Die Fahrzeuge ließen mich an die grotesken Unmenschlichkeiten denken, die sich in Europa abspielten und über die die Leute mittlerweile leise und vorsichtig sprachen.
    Die Sprüche, mit denen die Yankees die Frauen anmachten, konnten sich hören lassen, jeder wollte den anderen mit einer noch derberen Zote übertrumpfen. Ich weiß noch, dass ich sehnsüchtig hoffte, dass Gwen und Joan - die später in den Jahren ihres Erfolgs als Liss & Lamb bekannt werden sollten - sich unter den Frauen befänden, die Erfrischungen servierten, aber sie waren natürlich nicht dabei. Ich fragte mich, wohin Whybrow sie geschickt hatte.
    Als Nächstes kam ein General vorbei, der uns musterte und den wartenden Soldaten ermutigende Worte zumurmelte - kaffeeschlürfende, gebäckkauende Jungs aus Nebraska, New York und Kentucky, alle auf dem Höhepunkt ihrer körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit. Ich bildete die Ausnahme und machte mir große Sorgen. Ich hatte Angst, wieder einen Schwindelanfall zu bekommen, doch dann erspähte ich zu meiner großen Überraschung in der uniformierten Menge ein vertrautes Gesicht.
    Es war Sir Peter Vaward, der einen Gabardinemantel trug, der so weiß war, dass es aussah, als wäre der Direktor gerade von einem Wirbelwind durch eine Schneewehe gefegt worden.
    Er gab mir die Hand. »Ich wollten Ihnen nur alles Gute wünschen«, sagte er und sah mir in die Augen. »Und Ihnen etwas sagen. Ist alles in Ordnung?«
    »Ja, Sir«,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher