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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken
Autoren: Giles Foden
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Mawson-Station auf dem australischen Territorium gebaut - d. h., zwischen den Dismal Mountains und dem Amery-Schelfeis. Mawson liegt auf einem isolierten Felsausläufer. Das Klima ist hauptsächlich von katabatischem, also von der Schwerkraft angetriebenem Wind geprägt, der entsteht, wenn Kaltluft die steilen Hänge des Inlandeises herunterströmt. Tausende Kaiserpinguine konkurrieren mit Riesensturmvögeln, Silbersturmvögeln und Raubmöwen um Raum.
    Für die Expeditionsmitglieder waren isolierte Hütten gebaut worden. Bei der Arbeit fragte ich mich, was in vielen Jahrhunderten ein Archäologe denken mochte, der diese Hütten und die restliche Ausrüstung unter einem Berg aus Schnee finden würde.
    Die Effizienz der Arbeiten war beeindruckend. Viele Crewmitglieder hatten vorher auf Bohrtürmen in der Wüste oder auf den Schrottplätzen von Schardscha gearbeitet oder waren Schiffbauer am Golf gewesen, also waren sie alle vertraut mit industriellen Arbeitsabläufen. Aber die Kälte muss ein kräftiger Schock für sie gewesen sein, und natürlich hatte es so etwas wie die
Habbakuk
noch nie gegeben. Sie war wie von einem anderen Stern - oder lag zumindest jenseits jeder menschlichen Erfahrung.
    Außer Holzmasse und Eis waren unsere Materialien und Hilfsmittel Balken, Stahlträger, Meerwasser und Temperaturen unter null. Ich werde nie den Anblick all dieser dunklen Gesichter in weißen Fellkapuzen vergessen oder die Hände in Handschuhen, die aus Schläuchen Salzwasser auf den Rumpf des wachsenden Eisschiffs sprühen, der beständig dicker und glatter wird. Das Pykerete stellten wir teilweise natürlich her, indem wir angetautes Eis von der Meeresoberfläche abschöpften und daraus riesige Zwölf-mal-zwölf-Meter-Tabletts formten, in die die Holzmasse gegossen wurde. Das Gemisch für kleinere Blöcke wurde in Betonmischern angerührt.
    Die Arbeit war sehr hart für die Belutschen, so zäh sie auch waren. »Unsere Arme und Beine sind taub«, klagten sie. Der Expeditionsarzt hatte ein Verfahren entwickelt, um herauszufinden, wie kälteunempfindlich sie geworden waren. Dabei fügte er ihnen eine Reihe von Nadelstichen vom Knöchel oder vom Handgelenk an aufwärts zu; »ein Test auf periphere Neuropathie«, wie er sagte. So etwas in der Art. Ich muss leider sagen, dass der Vorarbeiter des Scheichs auch nicht besser zu ihnen war als das Wetter. Acht von ihnen starben.
    Den ersten Teil des Schiffs bauten wir aus den größeren Pykerete-Quadraten (66 Prozent Eis, 34 Prozent Holzmasse) auf großen Holzflößen, indem wir sie stapelten und mit gefrierendem Wasser verschmolzen - so wie Pyke es vor all den Jahren vorgehabt hatte. Das Ganze wurde dann nach und nach mit Holz ummantelt, und eine Isolierschicht (aus einer Glimmerart) wurde in den kleinen Hohlraum zwischen dem Eisrumpf und der hölzernen Hülle gepumpt.
    Die Wahrscheinlichkeit meiner Beteiligung an dieser Geschichte war verschwindend gering gewesen. Der Scheich hatte zuvor den Rat von Godfroy Wildman-Lushington erbeten - ein Vorstandsmitglied der British Petroleum in der Nachkriegszeit und genau der Mann, der als Brigadegeneral das ursprüngliche Projekt Habbakuk Anfang der vierziger Jahre geleitet hatte. Diesmal schlug der Brigadegeneral Julius Brecher als geeigneten leitenden Wissenschaftler vor, der aber lehnte ab und verwies den Scheich an mich. So ziemlich alle anderen Beteiligten waren tot.
    Ich machte mich in meinen nun verlassenen Räumen am Trinity College in Cambridge daran, die Pläne bis ins kleinste Detail auszuarbeiten. Dabei stand mir eine Reihe junger Tüftler von technischen Hochschulen in Saudi-Arabien zur Seite, mit denen ich über das technische Wunder Fax kommunizierte.
    Eine meiner größten Befürchtungen war, dass die Motoren zu viel Hitze erzeugen und das ganze Schiff zum Schmelzen bringen würden, aber dieses Problem scheint dadurch gelöst zu sein, dass wir die Maschinen außen anbrachten, so dass die Motorgondel im Wasser liegt und der Motor gekühlt wird. Das Schiff wird gesteuert, indem die Motoren an Backbord und Steuerbord je nach Bedarf beschleunigen oder abbremsen. An jeder Seite des Schiffs befinden sich fünfzehn Motorgondeln - wir haben sie von Westinghouse herstellen und liefern lassen.
    Ich habe Pykes Pläne noch. Kostbare Erinnerungen, die aufgerollt vor mir auf dem Tisch liegen, während ich schreibe. Im Licht meiner kardanisch aufgehängten Lampe sehen sie so alt aus wie Bibelschriftrollen. Ich streiche die vergilbten Pläne
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